chsen. Der aelteste Bruder war arm
verheiratet, hatte wohl keinen Platz fuer die Schwester; vom juengsten,
Clemens, war vollends nichts zu erwarten.
So wurde denn das Fraeulein Katharina von Bora nach der Ueberlieferung im
Hause eines Wittenberger Buergers untergebracht, der in der
Buergermeistergasse wohnte. Es war der ehrsame gelehrte M. Philipp
Reichenbach, welcher 1525 in Wittenberg Stadtschreiber, 1529 Licentiat
der Rechte, 1530 Buergermeister und endlich Kurfuerstlicher Rat
wurde[106].
In dem Wittenberger Buergerhause wurde die ehemalige Nonne mehr als eine
Art Pflegetochter gehalten und der Hausherr vertrat Vaterstelle an ihr.
Sie muss dort doch eine angesehene Stellung eingenommen haben. Sie war
bekannt und genannt im Kreise der Universitaetsgenossen, und der
Daenenkoenig Christiern II., der landesfluechtig im Oktober 1523 nach
Wittenberg kam und bei dem Maler Lukas Kranach Wohnung hatte, beschenkte
Katharina mit einem goldenen Ringe. Die jungen Gelehrten in Wittenberg
sprachen mit Achtung von ihr; sie nannten sie in ihren vertrauten
Briefen, wohl wegen ihrer strengen Zurueckhaltung, "die Katharina von
Siena"[107].
Bei dem Stadtschreiber, oder vielmehr bei seiner Frau, sollte nun
Katharina von Bora sich eingewoehnen in das neue oder vielmehr alte
"weltliche", das buergerliche Leben.
Das war nicht so gar leicht. Mindestens vierzehn Jahre lang, also fast
ihr ganzes bewusstes Leben, hatte Katharina im Kloster zugebracht. Alle
diese Jahre hatte sie die geistliche Tracht getragen, sich an
nonnenhafte Gebaerde und Haltung, an geistliche Sitten und Reden gewoehnt;
den Umgang mit weltlichen Menschen hatte sie verlernt oder eigentlich
nie recht gelernt, und ebenso die Arbeit, das Hantieren in Stube und
Kueche; in der That, man begreift, dass der praktische Luther beim Anblick
der neun weltunerfahrenen Nonnen ausrufen konnte: "Ein armes Voelklein"!
Wie in die weltliche Kleidung musste Katharina sich nun an weltliche
Sitte und Rede gewoehnen; wie ihr bleiches Gesicht sich an Luft und Sonne
braeunen, ihre zarten Haende im Angreifen von Toepfen und Besen sich
haerten, so musste auch ihr geistiges Wesen an den rauheren, aber
gesuenderen Anforderungen und Zumutungen der Welt sich kraeftigen. Aber
wie ihre abgeschnittenen Haare zu langen blonden Zoepfen wuchsen, so nahm
auch Sorgen und Denken an die kleinen weltlichen Pflichten und die
grossen weltlichen Interessen zu.
Und das gnaedige Fraeulein war nicht umsonst bei
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