gross und schlank, fast ein wenig zart gebaut, besass sehr
schoene, regelmaessige Zuege, weisse Haende und schmale Fuesse und jenes
Zurueckhaltende in der Erscheinung und im Wesen, das die Maenner reizt, in
das Innere einer Frau einzudringen, und sie zu Versuchen anstachelt,
ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Sie hatte jenes Unpersoenliche in ihrem
Blick und in ihrer Art, das leicht zu dem Schluss gelangen laesst, der
damit Behaftete sei nur mit sich beschaeftigt, interesselos und hochmuetig
oder so sehr durch anderes abgelenkt, dass vorliegende Dinge ihn nicht
fesseln. Aber oft ruht grade unter solcher Oberflaeche Feuer und
Leidenschaft; diese Gleichgueltigkeit ist dann der Schleier, den man
vorlegt, um unter ihm besser beobachten zu koennen; vielfach ist's auch
ein Produkt der Erziehung, welche Zurueckhaltung als ein Gebot der
Schicklichkeit hinstellt, oder ein angeborener Mangel an Gefallsucht.
Das letztere war bei Theonie der Fall.
Sie besass eine durchaus reine Seele, aber sie war nicht eben biegsam,
und ihre eigentliche Natur hatte sich nach der kraeftigeren,
selbstbewussteren Seite hin bisher nur einmal bethaetigen koennen, und zwar
nach dem Tode ihres Mannes.
Bis dahin war ihr Leben so ruhig, aber auch so ernst verlaufen, wie sie
selbst erschien. Ihr Vater hatte an der Scholle gehangen, in seinem
Willen und Wuenschen ging ihre verstorbene Mutter auf; gleichmaessig
dahinfliessendes, von Aufregung freies und kaum durch Zerstreuungen
unterbrochenes Dasein war aus eigener Neigung beider Eltern Teil
gewesen, und was sie selbst nicht empfunden und geschaetzt, dafuer hatten
sie auch bei Theonie keine Neigung vorausgesetzt.
Den Tod ihres Schwiegersohns hatten sie wohl ehrlich beklagt, aber die
Freude, ihre Tochter dadurch wieder gewonnen zu haben, ueberwog bald den
Schmerz und machte sie weniger empfindlich fuer die Trauer, die Theonie
um so mehr durchdrang, als sie mit dem Verlust ihres Gatten auch die
Aussicht und Hoffnung auf ein abwechslungreicheres, froehlicheres und der
Welt mehr zugewandtes Leben begrub.
Dass sie fernerhin wieder auf Falsterhof leben und hier sterben werde,
stand fuer sie ausser Frage. Das Glueck, das ihr kurze Zeit gelaechelt,
hatte sie schnell wieder verlassen, denn dass sie noch einmal einen Mann
lieben koennte, hielt sie fuer undenkbar.--
Als die Mittagsglocke nach alter Weise ertoente, war Theonie eben mit dem
Durchsehen des Testaments fertig und ging nun hinab, nun hinab, um im
Gart
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