ann jeden Augenblick kommen! Gehen wir ins
Wohnzimmer! So, nun--nun--" hauchte Theonie und sank uebermannt von den
Eindruecken in einen Lehnstuhl.
Und da brachte Frege alles, alles, was ihm auf dem Herzen sass, ueber die
Lippen: Er habe gesehen, dass Tankred am Sterbetage der gnaedigen Frau ins
Fenster gespaeht und sich dann heimlich wie ein Dieb wieder entfernt
habe. Er habe ihn abermals gesehen, juengst am Abend, als auch Theonie
seinen Kopf am Fenster bemerkt. Er erzaehlte von den Geldanleihen, die
Tankred bei ihm gemacht; er wisse auch aus sichrer Quelle, dass er
waehrend der Krankheit der Gnaedigen in Hamburg in einem Hotel gewohnt,
sich dort amuesiert habe und gar nicht in der Ost-Priegnitz, wohin er zu
gehen vorgegeben, gewesen sei. Sicher, er gehe mit boesen Absichten um,
er habe etwas Furchtbares im Blick, das nicht taeusche.
Sie koennten sich alle des Schrecklichsten von ihm versehen, und schon
seit den letzten Wochen habe er, Frege, stets nachts ein Gewehr zur Hand
gehabt, um fuer alle Faelle bereit zu sein.
Er habe ihn auch in der vorigen Nacht in das Zimmer der verstorbenen
Gnaedigen schluepfen sehen, und wohl eine halbe Stunde sei er
dringeblieben. Er, der Alte, aber habe sich hinausgeschlichen und von
dem Beobachtungsposten aus, den er ihm selbst abgelauscht, wahrgenommen,
wie Tankred sich am Schreibtisch zu schaffen gemacht.--
Nun ertoente die Glocke draussen, Max schlug an--Herrin und Diener flogen
auseinander, und Theonie eilte wieder ins Speisezimmer.
Fuenf Minuten spaeter trat auch Tankred ein. Er hatte sichtlich sehr viel
getrunken, war aeusserst gespraechig, und statt der demuetigen
Zurueckhaltung, mit der er sich sonst zu geben pflegte, legte er eine
unheimliche Lebhaftigkeit an den Tag.
Theonie besorgte mit der gewohnten, ernsten Ruhe den Thee, rueckte ihrem
Vetter die Speisen naeher und suchte seinen starken Redefluss zu daempfen,
indem sie erklaerte, sie fuehle sich sehr angegriffen.
"Trink einmal ein Glas Wein! Das giebt Kraft und andere Gedanken. Du
geniessest ja auch nichts Ordentliches," entgegnete Tankred und schenkte
trotz Theonies Weigerung deren Glas voll.
"Wozu, da ich doch nicht trinke--?" wehrte sie herb und in deutlicher
Auflehnung gegen seine zudringliche und laute Art ab.
"Na, es ist ja kein Unglueck, wenn ein Glas eingeschenkt und doch nicht
getrunken wird," entgegnete Tankred in absprechendem Ton. "Niemals habe
ich leiden koennen, wenn Damen sich so heftig dage
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