durch Selbstbeherrschung zu unterstuetzen vermochte. Er hatte noch nicht
warten gelernt. Warten koennen! Was lag nicht alles in den Worten! Und er
besass auch nicht hinreichenden Mut; seine Genusssucht und sein
Bequemlichkeitsdrang schoben sich in seine Entschluesse und machten ihn
feige.
In seinem charakterlosen Hin und Her, aber auch zufolge seiner
schrankenlosen Selbstsucht ueberlegte er, ob er nicht lieber Theonie
nachreisen, abermals ihre Verzeihung erflehen und schwoeren solle, dass
das Geschehene nichts mit seinem Herzen gemein habe. Nur der Zorn haette
aus ihm geredet. Er vertraute dabei seiner eminenten Verstellungskunst.
Der Gedanke, durch eine einzige Unterredung alles noch wieder ins
richtige Geleis bringen zu koennen, beschaeftigte ihn ploetzlich
solchergestalt, der Gegensatz zwischen dem, was augenblicklich war, und
dem, was er vielleicht wieder erreichen konnte, draengte sich ihm so
stuermisch auf, dass er das Haupt zurueckwarf, die Klingel zog und dem
stumm und finster hereintretenden Frege zurief, er moege sofort den Fuchs
satteln.
"Wohin ist meine Kousine gereist?" fuegte er erregt hinzu. "Es ist
wichtig, dass Sie mir die Wahrheit sagen, da ich mich entschlossen habe,
alles daran zu setzen, um unser Zerwuerfnis zu beseitigen. Also, wohin
hat Klaus die gnaedige Frau kutschiert?"
Frege befand sich in groesster Verlegenheit. Er wusste nicht, wie er am
besten zu Gunsten seiner Herrin handeln wuerde.
"Ich weiss es nicht, Herr von Brecken. Zunaechst wollte Frau Cromwell bei
Pastors vorsprechen und spaeter Nachricht geben."
So wand sich Frege heraus.
Bei der Erwaehnung der Pastorfamilie schoss Tankred ein Gedanke durch den
Kopf. Wenn sie von den letzten Vorfaellen durch Theonie unterrichtet
wurden, wuerden Tressens auch bald wissen, was geschehen war. Juengst
hatte die Familie bereits geaeussert, dass sie Pastors, die sie sehr
schaetzten, allernaechstens mit Tankred zusammen einladen wollten.
Das verstaerkte des Mannes Entschluss, unter allen Umstaenden Theonie
nachzueilen. Er konnte sie noch erreichen, wenn er nicht saeumte; sicher
wuerde sie sich bei Hoeppners einige Stunden, vielleicht sogar den Tag
ueber aufhalten. Sehr unbequem war ihm freilich die Pastorin, sie guckte
durch die Wand, sie nahm kein Blatt vor den Mund. Wie der Teufel vor dem
Zeichen des Kreuzes zurueckwich, so fuehlte er seine Gewalt und Kraft
gehemmt durch die grade Ehrlichkeit ihres Wesens.
Kaum zehn Minuten spaeter
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