enzimmer mit Tankred das Diner einzunehmen.
Als sie in die Thuer trat, schritt ihr Vetter mit dem Ausdruck tiefer
Teilname auf sie zu und drueckte wortlos einen Kuss auf ihre Hand. Sie
litt es nur halb; bei seiner Beruehrung war's ihr, als ob ein boeses Tier
sich ihr genaehert habe, und nur mit Aufbietung ihres ganzen Willens
vermochte sie, ihm unbefangen zu begegnen.
"Ich fuhr nicht mit Dir zusammen vom Kirchhof zurueck, Theonie," hub
Tankred, nachdem er sich niedergelassen, an, "weil Pastor Hoeppner noch
den Wunsch hatte, mich zu sprechen. Als ich an den Wagen eilen wollte,
um Dir dies mitzuteilen, warst Du schon fort. Aber vielleicht wuenschtest
Du auch allein zu fahren?"
Die letzten Worte sprach Tankred mit Berechnung, und in sein Auge trat
trotz seiner gefuegigen Mienen ein lauernder Ausdruck. Er wusste seit
seinem ersten Eintritt ins Haus, wie Theonie zu ihm stand; nur der
Wunsch, dass es anders sein moege, verwischte bisweilen sein klares
Urteil. So war es auch heute.
"Ja," erwiderte Theonie mit denselben fast unbeweglichen Ernst, mit dem
sie ihm begegnet war seit dem Beginn der Krankheit ihrer Mutter, "ich
hatte allerdings das Beduerfnis, mich abzuschliessen, und haette Dich sogar
gebeten, mich allein fahren zu lassen."
Er nickte und besann sich. Dann sagte er, ihrer stummen Frage, ob er
mehr Suppe begehre, durch Hinreichen des Tellers entsprechend,
einschmeichelnd: "Ich bin also beruhigt, Theonie. Freilich wuerde ich
gluecklicher sein, wenn Du den Wunsch gehabt haettest, in meiner Naehe zu
sein. Ich haette dann doch einmal empfunden, dass Du ein etwas warmes
Gefuehl fuer mich besitzest."
"Nein, ich besitze es nicht!" gab die Frau ehrlich zurueck.
Nie war Theonie ihrem Vetter bisher so begegnet. Wohl war sie ihm stets
ausgewichen, aber ueber ihre Lippen war noch keine Silbe gedrungen, die
auf Freundschaft oder Abneigung haette schliessen lassen koennen.
Ihn erschreckte deshalb ihre Offenheit nicht wenig, und er horchte
gespannt auf. Wollte sie fortan aus ihrer stummen Abwehr heraustreten?
Wollte sie rasch und ohne Ruecksicht das Band zwischen sich und ihm
durchschneiden? Er musste es wissen, es draengte ihn heiss, und statt ihre
Worte zu umgehen oder etwa in leichter Weise darauf zu antworten, sagte
er unvermittelt: "Weshalb hassest Du mich, Theonie? An dem Begraebnistage
Deiner Mutter sei einmal aufrichtig gegen mich. Vielleicht gelingt es
mir doch, Dir eine bessere Meinung von mir beizubringen.
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