"
Sie gab keine Antwort, sie benutzte das Eintreten Freges, des Dieners,
und sagte mit dem gehobenen Ton, mit dem man dem Alten bei seiner
Schwerhoerigkeit begegnen musste:
"Es fehlt ein Loeffel, Frege! Auch bringen Sie eine Flasche Wein."--
Als der Diener gegangen, sah sie ihres Vetters Auge auf sich gerichtet
mit jenem Blick, der zur Rede auffordert, und senkte das ihrige.
"Nun? Du willst mir nicht antworten, Theonie?"
Jetzt begegnete sie einem schreckenerregenden Ausdruck in seinem
Gesicht; deutlicher Hass spiegelte sich in seinen Mienen, obschon er sie
rasch wieder glaettete.
Da ging's durch ihr Inneres, ob's nicht, um zum Ziel zu gelangen, klueger
sei, sich auch zu verstellen, wie er es that. Eine nicht zu bannende
Furcht kam ueber sie; so sehr lag sie unter dem Druck ihrer bangen
Ahnungen, dass sie aufatmete, als Frege wieder ins Zimmer trat und
zunaechst den Loeffel brachte. Sobald sich die Thuer hinter ihm
geschlossen, sagte Theonie, vorsichtig jedes Wort waegend, aber auch die
Gelegenheit ergreifend, ihren Vetter ueber ihre Absichten nicht im
Unklaren zu lassen:
"Den Hass, von dem Du sprichst, habe ich keine Ursache, gegen Dich zu
empfinden. Da wir aber sehr verschiedene Naturen sind, werden wir uns,
glaube ich, nie recht verstehen und deshalb besser thun, von einander zu
bleiben.
Ich werde nicht vergessen, dass Du mein Verwandter bist, und werde die
sich daraus ergebenden Ruecksichten so lange gegen Dich ueben, wie Du sie
mir erweisest. Hoffentlich ist Dir das Schicksal auf Deinem spaeteren
Lebenswege guenstig, und Du bedarfst meiner hinfort nicht. Sollte es aber
doch frueher oder spaeter der Fall sein, so sprich Dich gegen mich aus.
Ich werde Deine Wuensche zu erfuellen suchen, sofern sie meine Kraefte und
die Grenzen, die ich nur stecken muss, nicht ueberschreiten."
Als Theonie mit ihrer Rede innehielt, neigte Tankred mit einem
gemischten Ausdruck schlecht unterdrueckter Enttaeuschung und dankbarer
Erkenntlichkeit kurz das Haupt und sagte: "Ich danke Dir fuer Deine
Gesinnungen. Dass Du jemals in die Lage geraten koenntest, 'meiner' zu
beduerfen, haeltst Du wohl nicht fuer denkbar Theonie? Umfasst der Reichtum
denn allein die Mittel, mit dem sich ein Mensch dem anderen huelfreich
erweisen kann?"
"Ich werde Dich nie um etwas bitten," entgegnete die Frau kalt, und von
der klug beobachteten Grenze zwischen Offenheit und Ruecksicht, die sie
eben noch inne gehalten, abweichend. Aber sich ihre
|