dem Krankenzimmer dachte man nicht an Schlaf, noch weniger an
glueckliche Traeume. Traurig sah es dort aus. Lilli tobte zwar nicht mehr,
aber sie lag ohne Teilnahme da. Das Fieber war noch immer im Zunehmen
begriffen. Als die Vorsteherin eintrat, erhob sich der Arzt und teilte ihr
seine Befuerchtung mit. Ilse schluchzte leise in sich hinein; es wurde ihr
so schwer, sich zu beherrschen.
"Geh zu Bett, Ilse," sprach Fraeulein Raimar sanft zu ihr, "du darfst nicht
laenger hier verweilen."
Der Arzt stimmte energisch bei, und so schmerzlich bittend das junge
Maedchen auch die Vorsteherin ansah, dieselbe beharrte bei ihrem Willen.
"Du bist ein gutes Kind," sagte sie weich und ihre Stimme klang wie
verhaltene Thraenen, "aber ich darf deinen Wunsch nicht erfuellen. Ein
laengerer Aufenthalt hier koennte deiner Gesundheit schaden. Du kannst dem
Kinde auch nicht helfen, - sieh hin - es kennt dich - uns alle nicht
mehr!"
[Illustration]
Bevor sie das Zimmer verliess, trat Ilse noch einmal zoegernd und leise an
Lillis Bett. Zitternd ergriff sie die kleine, fieberheisse Hand, beugte
sich nieder und drueckte einen Kuss darauf. "Gute Nacht, Liebling," hauchte
sie leise, "gute Nacht!"
Und mit einem langen, thraenenschweren Blick auf das blasse Gesichtchen
nahm sie Abschied, ach, sie fuehlte es, es war ein Lebewohl fuer immer. Dann
eilte sie hinaus, das Taschentuch fest vor den Mund gepresst, damit sie vor
Herzeleid nicht laut aufschreie.
Draussen, dicht vor der Thuer, stand Nellie. Unbemerkt war sie der
Vorsteherin gefolgt und hatte die Freundin erwartet. Ilse fiel ihr um den
Hals und Nellie fuehrte die Trostlose hinauf in ihr Zimmer. Dort angelangt
warf Ilse sich verzweifelnd auf ihr Bett und begrub ihr Gesicht laut
weinend in die Kissen.
"Ist sie so sehr krank?" fragte Nellie.
"Sie stirbt, Nellie!" schluchzte Ilse ausser sich, "unser suesser, kleiner
Liebling stirbt!"
Nellie wurde blass und ein heftiges Zittern ueberfiel ihren Koerper, aber
sagen konnte sie nichts. Sie vermochte niemals ihren Schmerz laut
herauszujammern, die ungestueme Art Ilses war ihr fremd. War das zu
verwundern? Ilse hatte Kummer und Leid noch niemals Aug in Auge gesehen,
ihre frohe Jugendzeit war bis dahin einem sonnigen Maientag zu
vergleichen, der wolkenlos mit blauem Himmel auf die Erde niederlacht, -
wie anders Nellie! So mancher truebe Schatten hatte bereits ihr junges
Dasein verdunkelt! Sie musste an den Tod des geliebten Vaters denk
|