Liebe und
Hingebung sich der Erziehung einer Schuelerin gewidmet, noch nie hatte sie
sich durch den gluecklichen Erfolg so belohnt gefuehlt. - Nun ging sie fort
und wer konnte sagen, ob sie das Kind je wiedersehen werde?
"Komm," wandte sie sich der laut schluchzenden Nellie zu, "wir wollen
gehen!" Und sie zog Nellies Arm durch den ihrigen und sprach troestende
Worte zu ihr - und hatte doch selbst ein so tiefbetruebtes Herz.
* * *
Im Flug entfuehrte der Dampfwagen Ilse dem Orte, den sie unter so
verschiedenartigen Gefuehlen betreten und wieder verlassen hatte. Reichlich
flossen ihre Thraenen. Sie hielt das Tuch gegen die Augen gedrueckt und die
liebliche Gegend, an der sie vorueberfuhr, die Berge, die ihr vertraute
Bekannte geworden, erhielten keinen Abschiedsgruss von ihr. Ein
Sonnenstrahl stahl sich zum Fenster hinein, fiel auf ihr lockiges Haar und
faerbte es golden, aber Trost in ihrem Kummer vermochte er ihr nicht zu
bringen.
Die Dame sah teilnehmend auf die Weinende, aber sie stoerte sie nicht in
ihrem Schmerze. Erst als sie bemerkte, dass Ilse ruhiger wurde, knuepfte sie
ein Gespraech mit ihr an.
"Ich verstehe Ihren Kummer wohl, liebes Kind," sagte sie herzlich, "und
kann Ihnen nachempfinden, wie Ihnen um das Herz ist. So ein Abschied von
der Pension ist ein wichtiger Abschnitt, es thut weh, von den Freundinnen
scheiden zu muessen, die man lieb gewonnen hat, - aber Kind, so gar
trostlos muessen Sie das alles nicht ansehen. Die Trennung ist ja nicht fuer
das ganze Leben, die Freundinnen werden Sie in Ihrer Heimat besuchen. Es
ist wohl schoen in Ihrer Heimat?"
Das war eine Frage zur rechten Zeit. Ilses Kinderaugen lachten noch unter
Thraenen die Fragerin an. Sie fing an, lebhaft zu erzaehlen, ihre Gedanken
kehrten in das Elternhaus zurueck, und zum erstenmale dachte sie seit
laengerer Zeit mit ungetruebter Sehnsucht an dasselbe.
"Wie werden Sie sich freuen, die Eltern wiederzusehen!" fuhr die Dame
fort, die grosses Wohlgefallen an dem jungen Maedchen fand.
"O sehr, sehr!" entgegnete Ilse, "und besonders freue ich mich auf den
kleinen Bruder, den ich noch gar nicht kenne! Ich habe sein Bild bei mir,
darf ich es Ihnen zeigen?"
[Illustration]
Sie nahm eine Ledertasche von oben herab, oeffnete dieselbe und nahm ein
Album daraus hervor.
"Das ist er!" sagte sie und zeigte mit Stolz auf einen kleinen, dicken
Buben, der im Hemdchen photographiert war.
"Ein schoe
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