nen, klugen Augen die Angeredete, die sehr
schnell und mit lebhaften Gesten gesprochen hatte, an. "Von wem sprichst
du?"
"Von ihr - von ihr!" rief sie zurueck. "Von Ilse, die ihr erwartet," wollte
sie eigentlich sagen, aber der Name fiel ihr im Augenblick nicht ein; das
betaeubende Laeuten der Glocke, die das Zeichen zur Abfahrt gab, machte sie
nervoes und verwirrte sie, es kam noch hinzu, dass der junge Mann ihren
Worten wenig Aufmerksamkeit schenkte und immer auf dem Sprunge stand, sie
zu verlassen.
"Ich muss dich verlassen, Tante!" sagte er denn auch, "ich muss mich nach
einem Kinde umsehen, das ich mit diesem Zuge erwarte -"
"Sie ist es! Sie ist es!" rief sie lebhaft, aber er hoerte ihre Worte nicht
mehr, sondern von neuem ging er suchend den Zug entlang.
"Haben Sie ein allein reisendes Kind bemerkt - und ist dasselbe vielleicht
hier ausgestiegen?" fragte er einen Schaffner.
"Nein!" antwortete dieser und schwang sich auf seinen hohen Sitz hinauf,
denn der Zug setzte sich langsam in Bewegung.
Als Frau Rat an ihm vorueberfuhr, rief sie ihm einige Worte zu, leider
vergeblich, er verstand sie nicht.
Assessor Gontrau blieb stehen, etwas ratlos und nachdenklich. Der
Oberamtmann Macket hatte seinen Vater gebeten, dass er sofort bei Ilses
Ankunft telegraphieren moege, ob sie gluecklich angekommen sei. Was sollte
er jetzt thun? Es blieb ihm nichts andres uebrig, als eine Depesche
abzusenden mit den Worten: "Nicht angekommen!"
Eben im Begriffe, sich zu diesem Zwecke in das Bureau zu begeben, fiel
sein Blick auf einen Brief, der auf der Erde dicht vor ihm lag. Er hob ihn
auf und las die Aufschrift auf dem geoeffneten Kouvert. Nicht wenig
erstaunte er, als er die Adresse las: "Fraeulein Ilse Macket," - sonderbar!
Der Schaffner und die Leute hier haben kein Kind aussteigen sehen und doch
muss es angekommen sein!
"Wissen Sie nicht, wer den Brief verloren hat?" wandte er sich an eine
Frau, die einen kleinen Obststand in der Naehe hatte.
"Gesehen habe ich es gerade nicht," meinte die, "aber ein junges Fraeulein
mit Locken hat ihn gewiss mit aus der Tasche gezogen. Ich sah, dass sie
etwas herausnahm. Die dort war es," unterbrach sie sich ploetzlich und
zeigte auf Ilse, die um das ganze Haus gegangen war und von der
entgegengesetzten Seite gerade hervortrat, als der Zug abfuhr.
Ihre alte Freundin gruesste noch einmal zaertlich zum Fenster hinaus, machte
auch allerhand bedeutungsvolle Zeichen, winkte nach der an
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