um Verzeihung."
Ilse ueberlegte einen Augenblick. "Du hast recht, Nellie," sagte sie dann
entschlossen, "ich werde ihr schreiben, ich bin es ihr schuldig. Heute
noch will ich es thun! Wenn sie mir nur bald darauf antwortet, ich werde
nicht eher ruhig sein!"
Als sie sich eben niedergesetzt hatte, ihr Vorhaben auszufuehren, trat
Flora mit strahlenden Augen ein.
"Ich muss euch meine neuesten Gedichte vorlesen," sagte sie erregt, "sie
sind das beste, was ich bis jetzt geschrieben habe! Ihr muesst mich
anhoeren!"
Und sie entfaltete ein starkes Heft, in welchem sie Lillis Tod in den
verschiedensten Dichtungsarten besungen hatte.
_Elegie auf den Tod einer vom Sturm geknickten Rosenknospe!_
begann sie zu lesen.
Nellie hielt sich die Ohren zu. "Schweig still! Ich mag dir nicht anhoeren
mit dein dumm Zeug! Aergere mir nicht damit!"
Ilse stimmte ihr bei. "Lass uns zufrieden, Flora," sagte sie, "wir sind
noch zu traurig, als dass wir lachen moechten! Und du weisst doch, dass alle
deine Gedichte uns lustig machen."
Tief verletzt schloss Flora ihr Heft, auf dessen Umschlag mit grossen
Buchstaben zu lesen stand: "Floras Klagelieder!" - "Ihr habt keinen Sinn
fuer erhabene Dichtkunst, und ich will Gott danken, wenn es Ostern ist und
ich diesen prosaischen Aufenthalt verlassen kann!"
Sie verliess die Undankbaren und suchte Rosi auf. Wenn niemand ihre
Dichtkunst bewundern wollte, fand sie an ihr stets eine geduldige
Zuhoererin. "Das rechte Verstaendnis freilich fehle ihr," meinte Flora mit
einem ergebungsvollen Seufzer.
Der Brief an die Mutter war abgeschickt. Acht Tage waren seitdem vergangen
und noch war keine Antwort eingetroffen. Ilse war unruhig und aufgeregt
darueber. Nellie, ihre einzige Vertraute, troestete sie.
"Es ist ja noch kein' Ewigkeit vorbei, seit du schriebst," sagte sie. "Es
scheint dich nur so, weil du immer daran denkst. Ich wette, heute wirst du
ein schoen, lang Brief haben. Mich ahnt das!"
Und richtig, Nellies Ahnung, die eigentlich gar nicht so ernst gemeint
war, ging in Erfuellung. Es kam ein Brief an Ilse.
"Komm sogleich in mein Zimmer, Ilse, ich habe dir etwas mitzuteilen!" Mit
diesen Worten empfing Fraeulein Raimar dieselbe, als sie eben aus der
Kirche kam.
Klopfenden Herzens folgte ihr das junge Maedchen, sich den Kopf
zerbrechend, welch eine geheimnisvolle Mitteilung ihrer wartete. -
"Ich habe soeben einen Brief von deinem Papa erhalten, liebes Kind, worin
er mich bit
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