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lange Zeit und betete heiss und innig zu Gott, dass er Lilli
am Leben erhalten moege. -
Aber es stand anders in den Sternen geschrieben. Gegen Abend oeffnete die
Vorsteherin ploetzlich weit die Fensterfluegel im Krankenzimmer - Lilli war
tot.
Sanft hatte der Todesengel sie auf die Stirn gekuesst und sie hinweggetragen
in sein dunkles Schattenreich. Wie ein sorglos schlummerndes Kind lag sie
da, der krampfhaft entstellende Zug war geschwunden und ein friedliches
Laecheln lag ueber den leise geoeffneten Lippen.
Die beiden Lehrerinnen standen stumm und mit gefalteten Haenden am Bette
der kleinen Verstorbenen und konnten den Blick nicht von ihr trennen. Die
Abendsonne verklaerte mit rosigem Schimmer das zarte Gesicht und in dem
knospenden Apfelbaume vor dem Fenster sang ein Star sein melodisches
Abendlied - draussen erwachendes Fruehlingsleben - hier die junge
Menschenknospe - gebrochen, ehe sie sich zur Bluete entfalten konnte.
"So frueh und in der Fremde musstest du sterben, armes Kind!" unterbrach
Fraeulein Guessow die feierliche Stille.
"Sie fuehlte sich gluecklich und heimisch bei uns," entgegnete Fraeulein
Raimar tief ergriffen. "Die eigentliche Heimat war ihr fremd geworden. -
Sie hat nicht einmal nach der Mutter verlangt."
"Wie sanft sie schlummert, als ob sie leben und atmen muesste. O, sie ist
gluecklich!" Und in einem ploetzlich ueberwallenden Gefuehle beugte sich die
junge Lehrerin laut weinend ueber Lilli und kuesste ihr die kalte Stirn.
"Schlaf wohl, schlaf wohl, teures Kind! Gott hatte dich lieb, darum nahm
er dich zu sich!"
"Fassen Sie sich, liebe Freundin," ermahnte Fraeulein Raimar, indem sie die
Hand auf der Erregten Schulter legte, "uns bleibt jetzt die schwere
Aufgabe, die Kinder mit dem traurigen Ausgang bekannt zu machen. So ruhig
als moeglich muessen wir ihnen diese Mitteilung machen, damit die ohnehin
erregten Gemueter nicht ganz ausser Fassung kommen."
Aber sie kamen doch ausser Fassung, besonders Ilse, deren lebhafte Natur
sich dem Schmerze zuegellos hingab. Sie glaubte vergehen zu muessen. Noch
nie hatte sie sich so ungluecklich gefuehlt, als in der ersten Nacht nach
Lillis Tode, selbst damals nicht, als sie den Wagen fortfahren sah, der
den geliebten Vater entfuehrte, und sie fremd und verlassen an der Pforte
dieses Hauses stand.
* * *
Lilli war in die Erde gebettet. Unter Schneegloeckchen und Veilchen
schlummerte sie. Der kleine Sarg war m
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