|
ie
schrieb, meldete sich der Abschiedsschmerz aufs neue. Es verwischten sogar
einige Thraenen die frische Schrift; aber sie meldete, dass ihr die Reise
bis jetzt furchtbar schnell vergangen sei, und Frau Rat waere eine zu
entzueckende Frau.
Die Erwaehnte dachte ungefaehr ebenso von ihrer jungen Reisegefaehrtin. Sie
hatte in der kurzen Zeit eine warme Zuneigung zu derselben gefasst. Ilse
war so ganz anders als all die jungen Maedchen ihrer Bekanntschaft. Sie
verglich sie mit einem sprudelnden Waldquell, dessen Wasserspiegel bis auf
den klaren Grund sehen laesst. Wahr und offen und doch nicht geschwaetzig,
natuerlich und ohne jede Ziererei. Und doch, wie huebsch war die Kleine! -
Frau Rat blickte mit innerer Freude in Ilses rosiges Gesicht, in ihre
braunen Augen, die ein so getreuer Spiegel ihrer Seele waren; die sie
traurig und thraenengefuellt, froehlich und schelmisch aufleuchten sah, und
deren dunkle Wimpern sich sittsam senkten, als uebermuetige Studenten ihr
huldigen wollten.
"Nun sind wir in wenigen Minuten in Lindenhof und muessen uns trennen,"
sagte Frau Rat. "Es thut mir von Herzen leid, ich habe Sie sehr lieb
gewonnen. Versprechen Sie mir fest, mich zu besuchen, wenn der Zufall Sie
in die Naehe von L. fuehren sollte."
Ilse versprach das gern und gestand, dass auch ihr das Scheiden schwer
werde. Frau Rat haette so {~SINGLE RIGHT-POINTING ANGLE QUOTATION MARK~}himmlisch{~SINGLE LEFT-POINTING ANGLE QUOTATION MARK~} verstanden, sie zu troesten.
"Da sind wir schon!" rief Frau Rat und steckte den Kopf zum Fenster
hinaus, um sich nach Gontraus umzusehn. Sie waren nicht zu erblicken.
Einige Bauernfrauen standen wartend mit ihren Tragkoerben da, sie wollten
mit dem Zuge weiterfahren, das war alles. - Ilse hatte auch hinausgeschaut
und als sie niemand anwesend sah, der sie erwartete, wurde es ihr recht
bange.
"Ach!" seufzte sie, "was fange ich nun an! Ich bin ganz verlassen hier!
Lassen Sie mich mit Ihnen weiterfahren, liebe Frau Rat, und nehmen Sie
mich fuer die eine Nacht auf. Bitte, bitte!"
"Wie gern thaete ich das, mein Kind; aber das waere gegen die Bestimmung
Ihrer Eltern. Gontraus werden noch kommen, auf jeden Fall! Sie haben sich
etwas verspaetet, Sie koennen es glauben. Was wuerden sie sagen, wenn
Fraeulein Ilse davongeflogen waere?"
Ilse seufzte schwer und stieg aus. Ihr Gepaeck, auch die Blumen, die trotz
des haeufigen Besprengens mit frischem Wasser die Koepfchen traurig haengen
liessen, hatte s
|