ig, Neugierde ist kein schoener
Schmuck fuer ein junges Maedchen."
Er wandte sich von der Beschaemten ab und ging auf Flora zu, die langsam
heran kam. Noch zitterten Thraenen in ihren Augen, die sie wie in
Verklaerung auf ihren Erretter richtete. Wo war der Hass geblieben, der
soeben noch in ihrem Innern getobt hatte? Verschwunden und verweht! Die
alte Liebe und Begeisterung fuer Doktor Althoff hatten ihn zurueckgedraengt
und waren wieder eingezogen in ihr grossmuetiges Herz. So maechtig wallte die
Begeisterung in ihr ueber, dass sie ploetzlich, hingerissen von Dankbarkeit,
sich niederbeugte, seine Hand ergriff und einen heissen Kuss darauf drueckte.
"Ich danke Ihnen," hauchte sie leise, dann eilte sie fort, zurueck zu ihrer
Friedensstaette, ihrem Musentempel, und anstatt den angefangenen Brief zu
vollenden, dichtete sie ein Sonett, das die Aufschrift trug: "An ihn."
Doktor Althoff blickte der Davoneilenden kopfschuettelnd nach. "Ein
ueberspanntes, verdrehtes Wesen!" musste er unwillkuerlich sagen, "und das
schlimmste ist, sie wird niemals zu heilen sein." -
Der Geburtstag des Fraeulein Raimar, der in den Mai fiel, war stets ein
grossartiges Fest. Tagesschuelerinnen und Pensionaerinnen wetteiferten mit
einander, dasselbe durch musikalische und theatralische Auffuehrungen,
durch lebende Bilder u. s. w. so bunt und unterhaltend zu gestalten als
moeglich. Auch in diesem Jahre wurde keine Ausnahme gemacht, trotzdem Lilli
kaum vier Wochen in der Erde ruhte.
"Ich wuerde gern auf eine groessere Feier verzichten," sprach eines Tages die
Vorsteherin zu der englischen Lehrerin und Fraeulein Guessow, "aber ich darf
es unsrer Zoeglinge wegen nicht thun. Mehr oder weniger hat sie Lillis Tod
sehr ergriffen und sie haengen die Koepfe; da ist das beste Mittel, sie
wieder aufzumuntern, dass wir ihnen eine Zerstreuung schaffen. Mit aller
Trauer koennen wir ja den Tod des lieben Kindes nicht ungeschehen machen."
Die beiden Damen stimmten ein und beschlossen untereinander, mit den
Vorbereitungen zu dem Feste zu beginnen. Miss Lead uebernahm es, ein
englisches Stueck, Fraeulein Guessow, ein franzoesisches Lustspiel
einzustudieren. Erstere waehlte nur Tagesschuelerinnen zu ihren
Mitwirkenden, waehrend letztere ihre Rollen nur mit Pensionaerinnen
besetzte. Sie hatte aber erst einen kleinen Kampf mit den Maedchen, bevor
dieselben die ihnen zugedachten Rollen annahmen. Flora, die eine alte Dame
vorstellen sollte, war durchaus nicht da
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