drei ueblichen Kreuze, wieder langsam und feierlich
geoeffnet - und siehe da, dieselben Worte gaben ihr Antwort auf ihre Frage.
"Sonderbar! furchtbar sonderbar!" dachte sie sinnend und einen Augenblick
war sie in Versuchung, der prophetischen Stimme zu glauben, dann aber
siegte ihre gesunde Vernunft.
"Es ist doch nur ein Zufall und die ganze Geschichte dummes Zeug!" Mit
diesem vernuenftigen Gedanken gab sie alle Schicksalsfragen auf und
vertiefte sich in Chamissos herrliche Gedichte. Einige Male freilich
ertappte sie sich auf dem Wege nach Lindenhof und Leos Bild neckte sie aus
den Zeilen, aber sie wehrte sich tapfer gegen diese Traumbilder. Sie
schwanden von selbst, je naeher sie der Heimat kam. Sie legte das Buch
beiseite und blickte zum Fenster hinaus. Schon erkannte sie verschiedene
Ortschaften, die in der Naehe von Moosdorf lagen, schon konnte sie den
Bahnhof erkennen! Ihr Herz schlug vor Erwartung und Freude, ihre Augen
flogen voraus und jetzt erkannte sie die Eltern, die auf dem Perron
standen, um sie in Empfang zu nehmen.
Welche Seligkeit ein Kind empfindet, wenn es nach langer Trennung zu den
geliebten Eltern zurueckkehrt, das, meine jungen Leserinnen, kann nicht
geschildert, sondern muss empfunden werden. Ilse lag in den Armen ihres
Vaters und dachte an nichts weiter, als an das Glueck, wieder daheim zu
sein.
[Illustration]
"Bist du gross geworden!" rief der Oberamtmann und betrachtete sie mit
stolzer Freude; "ich haette dich kaum wiedererkannt! Als halbes Kind gingst
du von uns und jetzt kehrst du heim als junge Dame!"
Er hielt sie noch immer in seinen Armen und konnte sich nicht satt sehen
an ihr. Sanft entwand sie sich ihm, noch hatte sie die Mutter nicht
begruesst, die mit Thraenen im Auge daneben stand und ihr die Arme
entgegenstreckte. Ilse flog an ihr Herz und umschlang sie innig.
"Meine liebe Mama!" das war alles, was sie sagen konnte. Und Frau Macket
verstand sie, innig drueckte sie ihr Kind an sich, sie wusste, dass sie jetzt
sein Herz fuer immer gewonnen hatte.
"Hier ist noch jemand, der dich begruessen will, Kleines," unterbrach der
Oberamtmann die kleine ruehrende Szene, die ihn selbst schon ganz
weichmuetig machte, "sieh, Onkel Curt, beruehmter Maler und Afrikareisender,
moechte gern deine Bekanntschaft machen!"
Ilse reichte ihm die Hand und stand nun einem wirklichen Kuenstler
gegenueber. Ob sie ihn "reizend" fand? - Als sie ihn ansah, den
mittelgrossen, etwas breitschultri
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