edacht! Die Schwatzhaftigkeit
war wieder einmal mit ihr durchgegangen und hatte ihr einen boesen Streich
gespielt.
Hoechst betruebt und niedergeschlagen trat sie wieder in die Reihe der
Tanzenden. Sie fasste auch den festen Entschluss, in Zukunft vorsichtiger zu
sein, aber wie lange! Es ist so schwer, eine lebhafte Zunge zu zuegeln!
Doch es liegt nicht in meiner Absicht, die Tanzstundenereignisse genau und
ausfuehrlich zu schildern. Ich nehme an, meine Backfischchen, denen ich
meine Erzaehlung widme, haben die Leiden und Freuden derselben aus eigener
Erfahrung bereits kennen gelernt. Es ist immer dasselbe. Harmlose
Koketterien, kleine Eifersuechteleien, ein wenig Neid, schwaermerische
Verehrung, etwas Courschneiderei, zuweilen auch Klatscherei - u. s. w.
Dazu noch die kleinen Aufmerksamkeiten, die hinter den Kulissen spielen,
z. B. Fensterparaden, duftige Blumenspenden, manchmal sogar eine
gemeinsame Schlittschuhpartie auf dem Eise.
Die letztgenannten Aufmerksamkeiten waren natuerlich vollstaendig
ausgeschlossen in der Pension. Fraeulein Raimar wuerde dieselben nicht
geduldet haben. Streng hielt sie darauf, dass ausser den Tanzstunden nicht
die geringste Annaeherung mit den Herren stattfand. In diesem Punkte kannte
sie keine Nachsicht.
Schon in hoechstem Grade unangenehm war es ihr, dass die jungen Leute sich
herausnahmen, ihre taeglichen Spaziergaenge mit den Zoeglingen zu
durchkreuzen und gruessend an ihnen vorueberzuschreiten. Es war ihr geradezu
unbegreiflich, wie sie es herausbrachten, welchen Weg sie waehlte. Denn
wenn sie ihre junge Schar heute durch den Park - morgen in dieses Thal -
uebermorgen ueber jenen Berg fuehrte, immer konnte sie ueberzeugt sein, die
roten Primanermuetzen auftauchen zu sehen - sie konnte ihnen nicht
entgehen. Die Loesung dieses Raetsels war einfach genug, der Verrat wurde
durch die Tagesschuelerinnen ausgefuehrt. Sie waren die Vermittlerinnen
zwischen ihren Bruedern, Vettern oder Bekannten und den Pensionaerinnen. Sie
schmuggelten Gruesse, Gedichte, sogar Photographien ein und Flora benutzte
diesen Weg, ihr Album den Herren zuzusenden mit der Bitte, ein
selbstverfasstes Gedicht hineinzuschreiben.
Eines Tages, es war so ziemlich gegen den Schluss der Tanzstunden, erhielt
Nellie nach dem Schulunterricht ein kleines Billet zugesteckt. Sie ging
auf ihr Zimmer, wo Ilse anwesend war, und oeffnete dasselbe.
"Wie albern!" rief sie hocherroetend aus, als sie die wenigen Zeilen
gelesen
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