hrieb sie einen
langen Brief in die Heimat, worin sie zuerst ihren Entschluss mitteilte,
dass sie die Weihnachtstage mit den Freundinnen feiern moechte. Dann ging
sie zu dem Geldmangel ueber und schilderte dem Papa mit vielen zaertlichen
Schmeichelnamen ihre Not, und zuletzt gedachte sie mit warmen Worten
Nellies. - "Noch eine dringende Bitte habe ich zum Schlusse," fuhr sie in
ihrem Briefe fort, "an Dich, Mama," wollte sie schreiben, aber sie besann
sich und schrieb: "an Euch, liebe Eltern. Meine Freundin Nellie ist
naemlich die einzige in der Pension, die keine Weihnachtskiste erhalten
wird. Sie ist eine Waise und steht ganz allein in der Welt. Ihr Onkel in
London laesst sie zu einer Gouvernante ausbilden. Ist das nicht furchtbar
traurig? Ach! und die arme Nellie ist noch so jung und immer so froehlich,
ich kann mir gar nicht denken, dass sie eine Gouvernante wird! Es ist doch
schrecklich, wenn man kein liebes Vaterhaus hat! - Nun wollt' ich Euch
recht von Herzen bitten, Ihr moechtet die Geschenke, die Ihr mir zugedacht
habt, zwischen mir und meiner Nellie teilen und zwei Kisten daraus machen.
Bitte, bitte! Ihr schenkt mir stets so viel, dass ich doch immer noch genug
habe, wenn es auch nur die Haelfte ist. Ich wuerde gewiss keine rechte Freude
am heiligen Abend haben, wenn Nellie gar nichts auszupacken haette.
Ihr hattet mir Erlaubnis gegeben, an den Tanzstunden nach Weihnachten
teilnehmen zu duerfen, und du, liebe Mama, versprachst mir ein neues Kleid
dazu, kaufe mir keins, mein blaues ist noch sehr gut und ich komme damit
aus. Schenkt Nellie dafuer etwas - bitte, bitte!
[Illustration]
Mit diesem _heissen_ Wunsche umarmt Euch
Eure
dankbare Ilse.
_N. S._ Das Geld schicke nur recht bald, einziges Papachen, ich habe es
furchtbar noetig."
Umgehend erhielt denn auch Ilse das Gewuenschte. Der zaertliche Papa hatte
in seiner Freude ueber die Herzensguete seines Kindes eine grosse Summe
schicken wollen, Frau Anne hielt ihn davon zurueck. Sie stellte ihm vor,
dass es fuer Ilse weit besser sei, wenn sie mit geringen Mitteln sich
einrichten lerne und stets genuegsam bleibe.
Ihr Wunsch, Weihnachten nicht in die Heimat zu kommen, wurde gern erfuellt,
der Papa schrieb sogar, er lobe ihren verstaendigen Entschluss. Die weite
Reise war im Winter nicht ratsam. Freilich werde er seinen Wildfa
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