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ja sie hoerte eine
Stimme, die sie sanft schalt und ihr zurief: "Niemals wirst Du die
Erfahrungen des Lebens Dir zu nutze machen! Immer wissender wirst Du
werden, nicht weiser!" Es war Teut, der auch diesmal vor ihrem inneren
Auge erschien.
Ange erschrak vor sich selbst. Selbsterkenntnis war ihr gekommen,
seitdem sie Teut kennen gelernt, Entschluesse waren in ihr gereift,
nachdem Carlos davongegangen und sie in Not zurueckgelassen hatte, aber
der Gang durch die Schule des Lebens war noch zu kurz, um seine volle
Wirkung zu ueben.
Den Rest des Tages benutzte sie, um an die Kinder und nochmals an Teut
zu schreiben. In ihrem ersten Briefe an ihn hatte sie nur Kunde gegeben
von Carlos' ploetzlichem Tode; nun bat sie den Freund, ihr in ihrer Lage
zu raten. Mit ihrem Zartgefuehl zauderte sie lange, die Zukunft zu
beruehren. War in diesem Falle Rat erbitten nicht gleichbedeutend mit
einem Anspruch auf Teuts erneuerte opferthaetige Freundschaft?
Dennoch schrieb Ange.
Nachdem sie aber die Feder aus der Hand gelegt, nochmals alles ueberlesen
hatte, und nun den Brief einfalten wollte, stiegen ploetzlich Stolz und
Scham wie heisse Feuer in ihr empor. Sie zauderte, und aus diesem Zaudern
entstand ein unabaenderlicher Entschluss. Ange zerriss, was sie dem Papier
anvertraut, und warf's in den Kamin.
Es war ein qualvoller, heftiger Widerstreit, der sich in ihrem Inneren
erhob. Hier winkten Sorglosigkeit, Fuelle vielleicht, mindestens aber
alles, was ihre Kinder schuetzen wuerde vor der Grausamkeit des Lebens.
Dort, in der Zukunft, lagen harte Arbeit, Entbehrung und alle die
entsetzlichen Begleiter dieser Quaelhexe des Daseins.
Und dennoch, und dennoch! Schon die bisherigen Wohlthaten Teuts
brannten wie gluehendes Eisen auf ihrer Seele. Und diese noch
vermehren?--Niemals! Um keinen Preis! Es war jetzt, wie's war! Etwas
blieb! Darben wuerde sie nicht, wenn sie alles veraeusserte. Am besten, sie
floh vor dem Freunde fuer immer, um so mehr, weil sie ihn liebte und weil
diese Liebe sie zu einer nachgiebigen Schwaeche hinreissen konnte, die sie
sicher bereuen wuerde.
* * * * *
Vier Tage nach dem eben Erzaehlten sassen sich Ange und Tibet in einem
Zimmer des Hotel de Russie gegenueber.
Letzterer war am Tage vorher aus der Haft entlassen worden, und hatte
Anges Eigentum zurueckerhalten. Eben hatte er, der Aufforderung seiner
Herrin folgend, Platz genommen und sich einer ehrerbietigen Haltung
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