ren, fand sich Ange fast voellig von Geld
entbloesst, und sie sann und sann, auf welche Weise sie sich helfen koenne.
Auch der Nachbar kam ihr wieder in den Sinn. Gewiss, wenn sie nicht ihrer
thoerichten Eingebung gefolgt waere--von ihm haette sie eine kleine
Aushilfssumme bereitwillig erhalten. Ob er sie jetzt noch geben wuerde?
Vielleicht! Aber die Scham ueberwog den Drang der Not, und sie gab den
Gedanken auf.
Einmal ueberlegte sie auch, an das Bankhaus zu schreiben und um einen
Vorschuss auf das Januarquartalsgeld zu bitten. Dass dergleichen von ihr
versucht werden koenne, war ihr bisher nicht einmal in den Sinn gekommen.
Nun weckte die Sorge praktische Gedanken. Aber auch diesen Plan liess sie
wieder fallen.
Der Jahresanfang erforderte so viel, dass sie schon nicht wusste, wie
auskommen. Schaffte sie jetzt Hilfe, so entbehrte sie in der Folge. Das
war nur ein schwacher Notbehelf, und vielleicht gelang's nicht einmal,
und sie bereute spaeter den Schritt.
Mit einemmal tuermte sich wieder vor ihr auf, wie schwer, wie ganz
unmoeglich es sein werde, mit ihren geringen Mitteln auszukommen, und zu
dieser Einsicht schlich sich ein anderer Gedanke, der sie so aengstlich
peinigte, dass ihr die Roete in die Wangen stieg. Hatte sie ueberhaupt ein
Recht gehabt, ihren Nachbar um Geld in solcher Hoehe anzugehen? War's
nicht leichtsinnig gewesen und musste sie sich nicht schaemen, dass sie so
stolz auf ihre Person als Sicherheit hingewiesen hatte?--
Eines Abends machte sich Ben, nachdem die uebrigen Kinder bereits zur
Ruhe gegangen waren, im Wohnzimmer zu thun. Ange naehte an der kleinen
Ange Schulmappe, an der ein Riemen sich geloest hatte. Die Nadel war zu
fein, es ward ihr schwer.
Ploetzlich setzte sich der Knabe ihr gegenueber, blieb einen Augenblick
stumm und begann dann mit einem eigentuemlichen Ton in der Stimme:
"Du, Mama, weshalb ist eigentlich Tibet fortgegangen? Du erzaehltest
neulich, ihr haettet ein Zerwuerfnis gehabt; war es etwas--etwas mit
Geld?"
Ange neigte den Kopf; dann sagte sie: "Ja, ja, Ben, das verstehst Du
nicht."
"Doch, Mama. Wollte er Geld von Dir haben und konntest Du es ihm nicht
geben?"
"Nein, Ben, es war umgekehrt."
"Umgekehrt--wie? Wolltest Du Geld von ihm--"
"Du verstehst falsch, Ben. Er wollte--er gab mir Geld--das heisst--Nein,
das ist auch nicht richtig. Ich weigerte mich, von ihm--etwas
anzunehmen, und deshalb--"
Des Knaben Pupillen erweiterten sich, und es jagte uebe
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