er leben koennen, damit sie nicht darben und
vergehen, damit sie erzogen werden, um brauchbare Mitglieder der
menschlichen Gesellschaft zu werden, oder--
Ja, da kamen andere furchtbare Gedanken, die sich in ihrem Gehirn
festbrannten, die geboren wurden aus Hilflosigkeit und Verzweiflung. Wie
waere es, wenn sie mit ihren Kindern dem folgte, der hier im Sarge lag?
Was stand den Armen bevor! Demuetigung, Entbehrung, Not--gar Schande.
Sie hoerte sie klagen und weinen. Sie scharten sich um ihre Mama. Sie
bettelten um die ihnen jetzt entzogenen notwendigen Dinge, sie wollen
ihre unschuldigen Liebhabereien, sie kamen, damit ihre kleinen Herzen
getroestet wurden.
Und die Menschen! Wie sie zischelten und mit den Fingern zeigten, wie
sie sich abwandten und gar haemisch frohlockten, dass diese uebermuetige,
verwoehnte Frau die Bitterkeit des Lebens nun auch endlich kostete wie
sie selbst.
Ah, wie das alles ihre Seele marterte! Ja, lieber sollte sie ihre
Kinder, sich selbst toeten----
Aber ein Herz wie das ihre musste schon bei dem blossen Gedanken an den
Tod ihrer Kinder erstarren.
Nein! nein! Entsetzlich! Lieber Not leiden, ja betteln, als ihren suessen
Geschoepfen auch nur ein Haar kruemmen! Und Sterben war nicht eine Sache
des Willens; zum Selbstmord gehoerten tausend Dinge, die sie nicht
verstand und bei deren Vorstellung ihr grauste.
"Barmherziger Schoepfer, vergieb! Vergieb auch Du mir, mein Carlos, diese
graesslichen, unreinen Gedanken!" betete Ange, faltete die Haende und
atmete, aus dem Schauder ihrer Vorstellungen befreit, erleichtert auf.
Sie besass so kostbaren Schmuck, dass sie durch dessen Verwertung noch
eine Zeit lang ohne Wohlthaten leben konnte. Diese Ueberlegung war ihr
gekommen in der letzten schlaflosen Nacht und erleichterte ihr
wenigstens die naechsten Sorgen.
Bevor Ange, durch die Handwerker aufgestoert, das Zimmer verliess, brachen
doch noch einmal die Thraenen unaufhaltsam hervor. Sie rief eilend die
Kinder, liess sie niederknien und betete mit ihnen.
"Hattet Ihr ihn lieb, Euren Papa?" schluchzte sie.
Die Kinder nickten aengstlich und scharten sich mit den feinen blassen
Gesichtern um die Mama.
Als sie sich endlich zur Thuer wandten, schmiegte sich die kleine Ange an
ihre Mutter und sagte: "Wird Papa auch so huebsch begraben wie Carlitos?"
Bei dieser Frage zuckte Ange zusammen.
"Nein, Ange, nein! Onkel Axel ist ja nicht da."
"Kommt er denn nicht?"
Ange antwortete nicht;
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