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Das alles haette ich Ihnen vorherigen koennen, und unnoetig, ja, zu Ihrem
Schaden haben Sie sich bloss gestellt. Frau von Inks Gutherzigkeit ist
nur Maske, und ueberall, wenn das Unglueck in die Hinterpforte schleicht,
ist die Welt ploetzlich von Menschen ausgestorben."
Als die Gouvernante zurueckkehrte, verbarg Ange die Depesche, schuetzte
Muedigkeit vor und zog sich zurueck. In ihrem Zimmer angekommen, sank sie
in einen Stuhl und weinte sich aus.
"O Carlos, Carlos! Wer sang mir an meiner Wiege von so viel Herzeleid!"
fluesterte Ange. "Bin ich ein so schwacher Mensch, dass die Angst Tag und
Nacht durch mein Inneres jagt, dass ich nicht mehr lachen,
dass--ach--ach--"--hier brachen die Thraenen durch die zarten Finger--"dass
der Anblick meiner Kinder mich nicht mehr zu troesten vermag?"
Sie ergriff die Lampe und wandte sich in das Zimmer ihres Mannes.
Der eigentuemliche Duft, der stets die Raeume durchweht hatte, erfuellte
sie auch heute noch. Carlos sass nicht mehr in dem hohen Stuhl. Ringsum
die Spuren eines lebenden, nun fuer immer dahingegangenen Menschen.
Geradlinig wie sonst standen die Buecher in den Regalen. Im
unverschobenen Winkel lag die Schreibmappe. Hier hing sein Saebel, die
Militaermuetze, dort standen noch seine Reiterstiefel, und drueben lagen
die weissledernen Handschuhe, die er abgestreift hatte, als er des Koenigs
Rock auszog.
Von einer unheimlichen Angst erfasst, drehte Ange den Schluessel zu
Carlos' Schlafgemach ab. Ihr war ploetzlich, als ob der Tote in der Thuer
erschienen sei und nicht mitleidig, nein, ernst und vorwurfsvoll sie
angeblickt habe. Weilte sein Geist noch in den Raeumen, wirkte sein Wesen
noch nach, das fieberhaft und reizbar jeden Eintritt abgewehrt hatte?
Ange suchte sich zu fassen und oeffnete die Schubladen des
Schreibtisches.
Ein ploetzlicher unerklaerlicher Drang hatte sie hierher getrieben. Noch
einmal musste sie die Aufzeichnungen durchblaettern, die er ihr
hinterlassen. Sie wusste, dass sie nichts darin finden werde als neuen
Anreiz fuer ihren Schmerz; aber ein ruheloses Gefuehl durchhastete sie,
seine Schriftzuege zu lesen, an seinem Mitleid Trost zu finden.
Ja das war es! Sie sehnte sich nach Trost, weil sie keinen Menschen auf
der Welt hatte, an dessen Brust sie sich werfen und ausweinen konnte.
Einen gab es doch! Ja, er wog alle uebrigen auf: aber er war fern, kam
vielleicht nie zurueck.
Ange sann nach, ehe sie zu lesen begann.
Wie aberglaeubisch
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