en sie das Roecheln der Kranken, als
saehen sie das blasse, schmerzverzehrte Angesicht einer jungen Frau, die
sich in einen grossen, seidenbezogenen Lehnsessel niedergelassen hatte
und nun schon seit zwei Tagen und Naechten von der Sterbenden, ihrer
Mutter, nicht gewichen war.
Vor einigen Jahren hatte Theonie Cromwell ihren Mann, einen jungen
Ingenieur, nach dreimonatlicher Ehe verloren und war dann zu ihren
Eltern nach Falsterhof zurueckgekehrt. Sie hatte kaum je einen Blick in
die Welt gethan, denn seit ihrer Geburt war sie nur zweimal fuer kurze
Zeit vom Gute fortgewesen. Gouvernanten hatten ihren Unterricht
geleitet; als sehr spaet geborenes, einziges Kind hatten ihre Eltern sie
nicht missen wollen und jene Methode der Erziehung zur Anwendung
gebracht, die, einem unbewussten Egoismus entspringend, mehr den Eltern
selbst als den Kindern zu gute kommt.
Was sich jetzt diesem jungen Leben eroeffnete, war schmerzlich genug.
Theonie war zwar Erbin des grossen Besitzes, aber stand voellig allein in
der Welt da. Der einzige Verwandte, den sie besass, war Tankred von
Brecken, derselbe, der eben versteckt ins Krankenzimmer spaehte. Aber
schon bei der ersten, vor vier Monaten erfolgten Begegnung mit ihm hatte
sich ihrer eine unausloeschliche Abneigung gegen ihn bemaechtigt. Tankred
war glatt, hoeflich und zuvorkommend, aber sein Antlitz, das Theonie an
die Zuege eines Verbrechers erinnerte, von dem sie einmal ein Bild in
einem Buche gesehen hatte, schuf in ihr ein Urteil ueber seinen
Charakter, von dem sich ihre Vorstellungen nicht zu loesen vermochten.
Tankred war der einzige Sohn eines juengeren Bruders des verstorbenen
Herrn von Brecken, der alles durchgebracht und zuletzt von den
Wohlthaten des Besitzers von Falsterhof gelebt hatte. Auch Tankreds
Mutter lag unter der Erde, man sagte, aus Gram ueber die Verkommenheit
ihres Sohnes, der frueher als Schreiber auf adligen Guetern thaetig gewesen
war, aber nirgend seine Stellung hatte behaupten koennen und sich
zuletzt--gleich nach dem Ableben seiner Mutter--auf Falsterhof
eingefunden hatte. Hier sass er nun schon seit Monaten umher, erklaerte,
sich trotz seiner Bemuehungen keine neue Thaetigkeit verschaffen zu
koennen, und fand in Theonies Mutter, die ganz von seiner Art und seinem
Wesen eingenommen war, genuegenden Rueckhalt, um sein Faulenzerleben
fortzusetzen.
Ganz allmaehlich hatte er sich zum Herrn der Situation in Falsterhof zu
machen gewusst; er bewohnte die Zi
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