g. Wir wollen nicht in
diesen Fehler verfallen, und ich denke, ihr werdet mir beistehen und in
Zukunft vorsichtiger sein. - Lilli bleibt bei uns. Ich hatte noch nichts
davon zu euch gesprochen, weil ihr Eintritt in die Pension noch nicht fest
beschlossen war."
"Wo wohnen Lillis Eltern?" fragte Flora.
"In Wien," entgegnete das Fraeulein. "Der Vater ist tot und die Mutter ist
eine bedeutende Schauspielerin. Weil sie sich in ihrem Berufe wenig um die
Erziehung ihres Kindes kuemmern kann, hat sie es in eine Pension gegeben."
"Lillis Mutter ist ein schoenes Frau," bemerkte Nellie.
"Wo hast du sie gesehen?" fragte die Vorsteherin etwas erstaunt.
"O, ich habe ihr vorbeigehen sehen," entgegnete Nellie leicht erroetend.
"Sie konnte leider nicht laenger verweilen," wandte sich Fraeulein Raimar an
die junge Lehrerin, "mit dem Schnellzuge faehrt sie heute abend wieder
fort."
Die jungen Maedchen hatten die Damen dicht umringt und horchten auf jedes
Wort. Sie haetten so "furchtbar" gern recht Ausfuehrliches ueber Lillis
Mutter erfahren, die als "bedeutende Schauspielerin" ihre Gemueter lebhaft
erregte und interessierte. Aber sie erfuhren nichts. Das Gespraech wurde
abgebrochen und Fraeulein Raimar fuehrte die Wissbegierigen recht unsanft in
die Wirklichkeit zurueck.
"Wer hat den Tisch zu besorgen?" fragte sie. "Es ist Zeit, dass wir den
Thee einnehmen."
Ilse und Flora hatten heute dieses Amt. Letztere verliess sofort das
Zimmer, um kurze Zeit darauf mit Ilse zurueckzukehren. Jede trug einen Stoss
Teller, welchen sie auf einen Seitentisch stellten. Sie legten die
Tischtuecher auf und fingen an, die Tafel zu decken.
Vor wenigen Monaten hatte Ilse es fuer eine Unmoeglichkeit gehalten, dass sie
je eine solche Beschaeftigung thun wuerde, - heute stand sie da in ihrer
rosa Latzschuerze und besorgte alles so geschickt und manierlich wie irgend
eine andre Pensionaerin.
Manierlich und geschickt war sie freilich nicht immer gewesen und es hatte
manche Muehe gekostet, ehe sie es so weit gebracht, bis sie ueberhaupt sich
ueberwunden hatte, "Dienstbotenarbeiten" zu verrichten. Die gutmuetige
Wirtschafterin konnte manches Lied ueber Ilses Widerspenstigkeit singen,
manche unartige Antwort hatte sie derselben zu verzeihen.
Einmal, als sie einen Teller mit Butterschnitten fallen liess und auch noch
den Milchtopf umgestossen hatte, ermahnte sie die Wirtschafterin,
vorsichtiger zu sein.
"Nein," hatte sie trotzig geantwortet,
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