Erinnerung versunken, brach es ploetzlich laut und
kraeftig aus ihrer Kehle hervor, dass es weithin durch den Garten schallte.
Im selben Augenblicke erwachte sie aus ihrem Traume und ganz erschrocken
fuhr sie mit der Hand nach dem Mund. Was hatte sie gethan! Aber die Reue
kam jetzt zu spaet, vor allem musste sie an den schnellsten Rueckzug denken,
denn wie sie vermutete, so war es, ihr unvorsichtiger Ruf war im Hause
vernommen worden.
Melanie war davon erwacht und richtete sich entsetzt in ihrem Bette auf.
"Grete!" rief sie mit bebenden Lippen, "hast du gehoert?"
"Ja," toente es gedaempft zurueck. "Melanie, ich fuerchte mich tot!" Sie hatte
sich die Decke ueber den Kopf gezogen und erwartete mit zitternder Angst
ihr Schicksal.
Auch Orla war erwacht. "Was war das?" fragte sie, "wo kam der laute Schrei
her? Mir war es, als ob er dicht vor meinem Bette ausgestossen wurde."
"Allmaechtiger Gott!" schrie Melanie auf, "siehst du nichts? O, ich habe
etwas furchtbar Schreckliches gesehen! Eben dort! - dicht am Fenster flog
es vorueber! Ein Gespenst war es, mit fliegenden Haaren und grossen,
gluehenden Augen! Hu, wie es mich ansah, als ob es mich verschlingen
wollte! O, Orla - ein Gespenst - ein Gespenst!"
Sie klapperte mit den Zaehnen vor Furcht und Schrecken, und Orla, die
nichts gesehen hatte, sondern nur ein lautes Brechen und Knacken im Baume
vernommen, sprang mutig aus ihrem Bette, schlug ihre Steppdecke ueber die
Schultern und sah zum Fenster hinaus.
Grade hatte Ilse ihre tolle Fahrt beendet. In rasender Hast und Angst
hatte sie dieselbe von der Hoehe des Baumes bis zu ihrem Zimmerfenster
gemacht, und Nellie, sie erwartend, streckte ihr beide Arme, soweit sie
konnte, hilfreich entgegen. Sie war leichenblass und ausser sich ueber Ilses
Tollkuehnheit.
"Was hast du gemacht?" fluesterte sie, "du hast uns verraten! - hast du
gehoert? Ueber uns sind sie aufgeweckt! - Orla spricht ... Wir sind
verloren!"
Eilig nahm sie der am ganzen Koerper zitternden Ilse, deren Haende blutig
geritzt waren, das Koerbchen ab, warf die wenigen Aepfel, die nicht
herausgefallen waren, in ihr Bett, das Koerbchen hinter den Schrank, und
legte sich nieder, alles in der groessten Hast.
Ilse hatte ein gleiches gethan. Ohne sich zu entkleiden, mit Stiefel und
Blousenkleid, sprang sie in ihr Bett und deckte sich bis an das Kinn zu.
Sie schloss die Augen und erwartete in Todesangst das furchtbare
Strafgericht, das ihrer wartete. -
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