estern war, konnte sie der
Versuchung nicht widerstehen, einen Blick in das Fenster zu thun.
Vorsichtig und behende balancierte sie auf dem Ast, der sie trug und
dessen gruene Spitzen beinahe das eine Fenster beruehrten, und sah hinein.
Ruhig, nichts ahnend lagen die Schlaeferinnen da, hell vom Mondlicht
beschienen.
Einen Augenblick regte sich der Uebermut in ihr. Ob sie den Maedchen einen
Schabernak spielte? "Nur einmal gegen die Fensterscheibe klopfen," dachte
sie, und schon streckte sie den Finger aus dazu, - da bewegte sich Orla im
Schlafe. Unwillkuerlich fuhr Ilse zurueck und ihre tolle Idee blieb
unausgefuehrt.
Es hingen so viel schoene Aepfel rechts und links und ueberall, mit kleiner
Muehe haette sie in wenigen Augenblicken ihr Koerbchen damit fuellen koennen,
aber dazu hatte sie keine Lust, immer hoeher hinauf strebte ihr Verlangen,
sie hatte nun einmal die Freiheit gekostet, so schnell wollte sie dieselbe
nicht wieder aufgeben. Die Krone des Baumes war ihr Ziel, wohl eine
beschwerliche Fahrt, aber sie schreckte nicht davor zurueck.
Wie ein Bube erklomm sie die manchmal schwer zu erreichenden Zweige, - ein
einziger Fehltritt und sie lag unten mit zerbrochenen Gliedern, - dieser
Gedanke kam ihr nicht in den Sinn, sie hatte daheim ganz andre tollkuehne
Kletterpartien ausgefuehrt und jede Furcht vor Gefahr verlernt.
Mutig ging es vorwaerts. Die lauschende Nellie vernahm dann und wann ein
Knacken der Aeste, oder das Herabfallen eines Apfels. Einmal schrak sie
heftig zusammen, ein Vogel flog auf. Ilse mochte ihn in seiner Nachtruhe
gestoert haben. - Es wurde ihr recht aengstlich auf ihrem Lauscherposten,
eine Ewigkeit duenkte es ihr, dass Ilse sie verlassen hatte.
"Ilse!" rief sie leise. Keine Antwort erfolgte. Wie war es auch moeglich,
dass ihr Ruf zu derselben emporgetragen wurde, die oben in der Krone stand
und die erfrischende Nachtluft mit vollen Zuegen einsog.
Wie fuehlte sie sich glueckselig, wie frei, wie heimatlich wurde es ihr zu
Mute! Keine Fesseln drueckten sie mehr, Schulzwang, Pension, Vorsteherin -
alles entschwand ihr wie in nebelweite Ferne - der Garten da unten gehoerte
dem Papa, der Baum, auf dem sie war, stand vor seinem Fenster, es war der
alte Nussbaum, in dessen gruenem Laubwerk sie so manchmal neckend Versteck
gespielt hatte mit dem Papa, wenn er sie ueberall suchte, von dessen
oberster Spitze sie dann ploetzlich mit einem schlichen "Juchhe!" ihm
antwortete.
"Juchhe!" Ganz in
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