fiel Miss Lead lebhaft ein. "Ich
glaube, dass es dahin kommen wird. Ilse ist nicht nur verzogen, sie ist -
wie soll ich sagen - sehr baeurisch, sehr brutal, sie passt nicht in unsre
Pension."
Doktor Althoff warf der Englaenderin einen etwas ironisch laechelnden Blick
zu, als wollte er sagen: Du freilich mit deinen uebertriebenen, strengen
Formen hast kein Verstaendnis fuer das junge, frische Wesen mit seinem
natuerlichen Sinn - "Ich glaube, Sie irren, meine Damen," wandte er ein,
"in unsrer kleinen Ilse steckt ein tuechtiger Kern. Lassen Sie nur erst die
etwas rauhe Schale sich von demselben abgestossen haben und Sie werden
sehen, in welch ein liebenswuerdiges, natuerliches, echt weibliches Wesen
sich die baeurische, {~SINGLE RIGHT-POINTING ANGLE QUOTATION MARK~}brutale Ilse{~SINGLE LEFT-POINTING ANGLE QUOTATION MARK~}," er betonte die letzten Worte etwas
stark, "verwandeln wird. Von der Natur ist sie dazu beanlagt, glauben Sie
mir. Man muss nur nicht von der kurzen Zeit, die sie bei uns verweilt, gar
zu viel verlangen."
Miss Lead zuckte die Achseln und machte eine abweisende Miene. Fraeulein
Guessow dagegen sah Doktor Althoff dankbar an.
"Das sage ich mit Ihnen, Herr Doktor!" stimmte sie bei. "Wir muessen Geduld
haben mit unsrem wilden Vogel, der bis jetzt nur die Freiheit kannte.
Fehler, die durch jahrelange, allzunachsichtige Erziehung in dem Kinde
gross gezogen wurden, koennen unmoeglich in wenigen Wochen vollstaendig
abgestreift sein. Mir scheint, dass wir schon viel erreicht haben, wenn wir
daran denken, wie wenig Arbeitstrieb Ilse mit in die Pension brachte und
wie sie jetzt gewissenhaft und sogar in manchen Faechern ihre Aufgaben sehr
trefflich anfertigt."
Fraeulein Guessows Behauptung war vollstaendig berechtigt. Ilse war weit
strebsamer geworden, das gute Beispiel der uebrigen Maedchen spornte sie
maechtig an.
Anfangs war es ihr gleichgueltig gewesen, ob man sie in die erste oder
zweite Klasse brachte, als sie indes die Bemerkung machte, dass alle ihre
Mitschuelerinnen juenger waren, als sie, da erwachte der Ehrgeiz und
zugleich ein Eifer in ihr, der sie antrieb, das Versaeumte nachzuholen, zu
lernen und zu arbeiten, damit sie bald in die erste Klasse komme.
Ihre Aufsaetze besserten sich mit jedem Mal, auch nahm sie sich sehr
zusammen, keine orthographischen Schnitzer mehr zu machen. Sie hatte allen
Respekt vor Doktor Althoff, der stets mit einem leichten Spott dergleichen
Fehler zu ruegen wusste.
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