du nach deinem Gefallen davonlaeufst? Es ist nicht Sitte bei uns, dass
jemand eine Mahlzeit verlaesst, bevor dieselbe beendet ist. Komm gleich
zurueck und verzehre dein Fruehstueck."
"Ich mag nicht mehr fruehstuecken," entgegnete Ilse, "und ich gehe nicht
wieder hinein! Sie haben mich alle ausgelacht und Orla war ungezogen gegen
mich. Es geht niemand etwas an, wie ich esse und trinke, ich mache es, wie
ich will! Vorschriften lasse ich mir nicht machen, nein!"
"Ehe ich weiter mit dir spreche, bitte ich dich erst ruhig und vernuenftig
zu sein, liebe Ilse. Ich kann nicht dulden, dass du in einem so unartigen
Tone zu mir sprichst."
Sehr ernst und nachdruecklich hatte Fraeulein Guessow gesprochen, aber es
klang doch ein Ton der Liebe hindurch. Ihr schoenes, weiches Organ
verfehlte selten den Weg zum Herzen, das lernte auch Ilse in diesem
Augenblicke kennen. Sie blickte zu Boden, und etwas wie Beschaemung stieg
in ihr auf.
Die Lehrerin las in Ilses beweglichen Zuegen und wusste, was in ihr vorging.
"Gieb mir deine Hand, du kleiner Brausekopf!" sagte sie freundlich, "und
versprich mir, nicht wieder so stuermisch zu sein und deiner
augenblicklichen Laune zu folgen, selbst wenn du glaubst, im Rechte zu
sein. Heute warst du es nicht einmal, du trankest wirklich etwas
unappetitlich. Orla hat es gut gemeint, dass sie dich darauf aufmerksam
machte, du darfst ihr darum nicht boese sein. So eine kleine wohlverdiente
Lehre muss sich jede von euch gelegentlich gefallen lassen. Es ist doch
besser, jetzt als Kind zurechtgewiesen zu werden, als wenn deine Fehler
und Angewohnheiten spaeterhin zum Spott der Gesellschaft wuerden."
Daheim hatte Ilse niemals hoeren wollen, dass sie eine junge Dame sei, und
jetzt beruehrte es sie gar nicht angenehm, dass man sie gewissermassen noch
zu den Kindern rechnete.
"Nun siehst du das ein, Ilse?" fragte die Lehrerin.
Vielleicht that sie es, aber sie wuerde ein Ja nicht ueber die Lippen
gebracht haben. Fraeulein Guessow begnuegte sich mit ihrem Stillschweigen und
nahm dasselbe fuer eine Zustimmung. Sie meinte, dass eine Natur wie Ilses
nicht mit Gewalt zum Nachgeben gezwungen werden duerfe.
"Nun wollen wir zurueck in den Speisesaal gehen," sagte sie, und Ilse wagte
keine Widerrede. Sie folgte dem Fraeulein mit niedergeschlagenen Augen, sie
hatte Furcht vor den vielen peinlichen Blicken, die sich alle auf sie
richten wuerden.
Als sie eintraten, war das Zimmer leer und die Fruehstuecksze
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