Leicht und unhoerbar stieg Nellie aus ihrem Bette und ging auf Struempfen an
ihre Kommode. Sie zog den oberen Kasten vorsichtig heraus und nahm einen
kleinen Wachsstock aus demselben. Nachdem sie ihn angezuendet hatte,
stellte sie ein Buch davor, damit kein Lichtschimmer durch das Fenster
drang.
"Ist doch fein, nicht?" fragte sie. "Nun eile dich aber," trieb sie Ilse,
die sich fluechtig ankleidete.
"Wo hast du der Schluessel?"
"Hier habe ich ihn," entgegnete Ilse und zog ihn unter dem Kopfkissen
hervor, "ich werde selbst aufschliessen."
Nellie leuchtete mit dem Wachsstocke und hielt die Hand davor.
Vornuebergebeugt stand sie in neugieriger Erwartung, der Schaetze harrend,
die sich vor ihren Augen aufthun wuerden. Recht enttaeuscht wurde sie, als
Ilse anfing auszupacken. Die erwarteten Delikatessen - Nellie war eine
Freundin davon - kamen nicht zum Vorschein.
"O, hast du keine Kuchen?" fragte sie, warf den Plunder heraus und
durchsuchte mit der Hand bis auf den Grund.
"Au, au!" rief sie ploetzlich und fuhr mit der Hand zurueck. "Was ist dies?
Ich habe mir gestochen!" Und richtig, ein roter Blutstropfen hing an dem
kleinen Finger.
Ilse begriff nicht, woher die Verwundung kam, bis sie selbst in den Koffer
griff und die Ursache entdeckte, - - o Schrecken! das Glas mit dem
Laubfrosche war zerbrochen, und Nellie hatte sich an einem Glassplitter
geritzt.
"Wo nur der Frosch ist," sagte Ilse aengstlich und raeumte die Scherben
fort.
"Was? - eine Frosch? Eine lebendige Frosch? O je - hast du ihn verpackt?
Wie kannst du so eine arme Tier in die Koffer thun? Ohne Luft muss er tot
gehen!"
Ilse hatte soeben den kleinen Laubfrosch gefunden, - natuerlich war er tot.
Sie legte ihn auf die flache Hand und hauchte ihn an, vielleicht brachte
sie ihn wieder zum Leben. Nellie lachte sie aus.
"Du hast die arm, klein Frosch gemordet," sagte sie und nahm ihn in die
Hand. "O, er ist kaput! Er kriegt keine Leben wieder, niemals! Morgen frueh
wollen wir ihn in ein Schachtel legen und unter die Linde vergraben."
Ilse sah traurig auf den Frosch und die Thraenen traten ihr in die Augen.
Sie hatte das Tierchen selbst gefangen, es stets gefuettert und eine grosse
Freude daran gehabt, nun hatte sie es getoetet durch eigne Schuld.
[Illustration]
"Wie schlecht von mir, dass ich so dumm sein konnte!" klagte sie sich an.
"Ich dachte gar nicht daran, als ich meine Sachen packte, dass er ersticken
muesse. Es ging so schnell
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