Guessow, als Ilse sich etwas beruhigt
hatte, "was gedenkst du zu thun?"
"Ich muss heute noch abreisen," entgegnete sie, "hier bleiben kann ich
nicht."
"Also noch immer moechtest du mit deinem Kopfe die Wand einstossen. Der
Gedanke, dass du nachgeben musst, dass es an dir ist, um Verzeihung zu
bitten, kommt dir gar nicht in den Sinn! Du hast Fraeulein Raimar bitter
gekraenkt, denkst du nicht daran, sie wieder zu versoehnen? Sprich!"
"Nein," rief Ilse und warf den Kopf zurueck, "Fraeulein Raimar hat mich
beleidigt und furchtbar gekraenkt! Ich bitte sie nicht um Verzeihung! Noch
niemals habe ich jemand um Verzeihung gebeten - und ich thue es auch jetzt
nicht! Nein!"
Das war wieder ein trotziger, boeser Ausfall von ihr, dennoch verlor
Fraeulein Guessow nicht die Geduld, sie blieb ruhig und sanft.
"Du batest niemals um Verzeihung, Ilse? Das wundert mich; aber du hast
deinem Papa ein gutes Wort gegeben, wenn du unartig warst und er dir
zuernte."
"Meinem Papa!" wiederholte Ilse und sah hoechst erstaunt die junge Lehrerin
an. "Niemals hat er mir gezuernt, er war immer, immer gut, ich konnte
machen, was ich wollte."
"So," sprach Fraeulein Guessow und meinte jetzt den Schluessel zu Ilses
Eigensinn in des Vaters zu grosser Nachgiebigkeit gefunden zu haben. "Und
die Mama, war auch sie stets damit zufrieden, was du thatest, - kraenktest
du sie niemals? Sage einmal aufrichtig."
Ilse blickte nachdenklich vor sich hin. Sie konnte nicht leugnen, sie
hatte dieselbe oftmals durch ihren Widerstand gekraenkt.
"Ich glaube, dass ich es that," sagte sie zoegernd.
"Und dann sagtest du: vergieb mir, liebe Mama, nicht wahr?"
Ilse schuettelte den Kopf. "Nein," sagte sie, "niemals habe ich das gethan.
Mama hat es auch gar nicht von mir verlangt, sie weiss, dass ich einmal
nicht bitten kann."
"Ein Kind muss bitten koennen! Und ein Maedchen vor allem. O Ilse! Auch du
musst es lernen, noch ist es nicht zu spaet!" sprach Fraeulein Guessow sehr
erregt. "O Ilse, wenn doch meine Worte es vermoechten, dich so recht aus
deiner Verblendung aufzuruetteln! Lerne nachgeben, mein Kind, lerne vor
allem dich beherrschen! Thust du es nicht, so nimmt das Leben dich in
seine harte Schule und bereitet dir viel Herzeleid und Kummer. Glaube mir,
Trotz und Widerstand sind boeses Unkraut in einem Maedchenherzen, und
oftmals ueberwuchern sie die besten, heiligsten Gefuehle! Geh' hinunter,
Kind, bitte Fraeulein Raimar um Vergebung. Ueberwindest du
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