sie sich gar
nicht wieder beruhigen konnte.
Was in diesem Augenblicke in Ilses Innerem vorging, ist schwer zu
beschreiben. Sie sah sich verlacht und verspottet von allen Seiten und
durfte sich nicht dagegen verteidigen. Ihr heisses Blut, ihre unbaendige
Natur baeumten sich mit aller Macht auf gegen die, wie sie glaubte, ihr
oeffentlich angethane Schmach. Sie geriet in eine so blinde Wut, wie sie
bis jetzt noch niemals empfunden hatte, sie ballte die Haende und biss
hinein, ihre Augen fuellten sich mit heissen, trotzigen Thraenen.
Fraeulein Raimar hatte bereits das Zimmer verlassen, doch die Thuer
desselben hinter sich offen gelassen, sie hielt sich noch auf dem Korridor
auf. Welchen Aufruhr sie in Ilse heraufbeschworen, ahnte sie nicht, sie
wuerde ihn auch schwerlich begriffen haben, glaubte sie doch fest, durch
eine oeffentliche Beschaemung Ilses Widerstand ein fuer allemal geheilt zu
haben. Wie wenig verstand sie ein leidenschaftliches Gemuet! Gerade das
Gegenteil hatte sie hervorgerufen. Ilses wilder Trotz stand in
lichterlohen Flammen.
"Neckt sie nicht!" gebot Fraeulein Guessow, die Ilse besser verstand. "Ich
will nicht, dass ihr sie auslacht!"
Und Nellie, die einzige, welche mitleidig dem ganzen Auftritt zugesehen,
nahm gutmuetig den verachteten Strumpf in die Hand, um ihn wieder in
Ordnung zu bringen.
"Lass!" rief Ilse und ihr ganzer Grimm entlud sich auf Nellies unschuldiges
Haupt, "lass! Was kuemmern dich meine Sachen?"
"Gieb doch her," bat diese sanft, "ich mach' dich alles wieder gut."
Aber Ilse hoerte nicht darauf und riss es Nellie aus der Hand, und ehe noch
diese sie zurueckhalten konnte, warf sie im hoechsten Zorne das
unglueckselige Strickzeug gegen die Wand. Die Nadeln schlugen klirrend
aneinander und das Knaeuel kollerte weit fort, zur offnen Thuer hinaus, bis
zu den Fuessen der Vorsteherin.
Vielleicht haette dieselbe kein Arg an diesem kleinen Zufall gefunden, wenn
nicht zu gleicher Zeit laute Ausrufe wie "Ah!" und "o!" ihr Ohr getroffen
und ihr verkuendet haetten, dass etwas Unerhoertes passiert sein muesse.
"Was giebt es?" fragte sie hastig eintretend. Sie erhielt keine Antwort;
aber ihr Blick fiel auf das Strickzeug am Fussboden und sie erriet das
Ganze.
"Warfst du es absichtlich hierher?" richtete sie an Ilse die Frage, und
ihre Stimme bebte vor Aufregung, in ihren stets so ruhig blickenden Augen
blitzte es unheimlich auf. - "Antworte - ich will es wissen!"
"Ja," sagte Ilse.
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