hieben waren. Sie
gluehte wie eine Rose bei ihrer sauren Arbeit, und der graue Strumpf, der
eigentlich weiss sein sollte, wurde oefters aus der Hand gelegt. Nun fielen
auch noch einige Maschen herunter, und Fraeulein Guessow, die anwesend war,
forderte Ilse auf, einmal zu versuchen, ob sie dieselben nicht allein
wieder aufnehmen koenne.
"Ich kann das nicht," sagte Ilse, "die Nadeln kleben so, ich mag sie nicht
mehr anfassen."
"Wasche dir die Haende," riet Fraeulein Guessow, "dann wird es besser gehen."
"Das hilft nicht," erwiderte Ilse unmutig und legte das Strickzeug vor
sich hin.
Die Maedchen lachten, und Grete, die ihr gegenuebersass, nahm es vorwitzig in
die Hand, um den Fehler zu verbessern.
Ilse nahm es ihr fort. "Lass liegen," sagte sie, "es ist mein Strumpf!"
Ehe noch Fraeulein Guessow sie wegen ihres unpassenden Wesens zurechtweisen
konnte, trat Fraeulein Raimar in das Zimmer. Sie ging von einer Schuelerin
zur andern und pruefte deren Arbeiten, sie that dies zuweilen, um sich an
den Fortschritten zu erfreuen, oder auch zu tadeln, wenn es noetig war.
"Nun, wie steht es mit dir, Ilse?" fragte sie. "Hast du deinen Strumpf
bald fertig? Zeige ihn einmal her."
Ilse that, als habe sie die Aufforderung nicht verstanden, sie schaemte
sich ihrer schmutzigen Arbeit.
"Ich will dein Strickzeug sehen, Ilse, hast du mich nicht verstanden?"
Etwas streng und hart klangen die Worte der Vorsteherin, und nun war es
Trotz, weshalb sie den Gehorsam versagte.
Aufgebracht ueber diesen Widerstand nahm Fraeulein Raimar ihr den Strumpf
unsanft aus der Hand.
"Ich bin gewoehnt, dass meine Schuelerinnen mir gehorchen und du wagst es,
dich zu widersetzen? - Seht einmal Kinder," fuhr sie fort und hielt mit
spitzen Fingern das Strickzeug in die Hoehe, "was sagt ihr zu dieser
Arbeit? Sieht sie wohl aus, als ob sie einem erwachsenen Maedchen angehoere?
Schaeme dich! Niemals wieder will ich ein so unsauberes Strickzeug sehen."
Aller Augen waren auf dasselbe gerichtet, und einige Pensionaerinnen
glaubten sich durch die Frage der Vorsteherin berechtigt, ein Wort
mitzureden. Die vorlaute Grete meinte, dass ihre kleine fuenfjaehrige
Schwester daheim weit besser und sauberer stricke, ihr Strumpf saehe wie
Schnee gegen Ilses aus, sie duerfe aber auch niemals mit schmutzigen Haenden
stricken.
Die aesthetische Flora verglich das faconlose Ding mit einem Kaffeebeutel,
ein Vergleich, der Annemie so in das Lachen brachte, dass
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