ss so viel Geheimnisse, die hier verraten sind!"
Bei dem Geplauder Nellies verging die Zeit schnell. Ilse, die am Morgen
sich so ungluecklich gefuehlt hatte, die am Nachmittage geglaubt hatte, dass
sie nie die Trennung vom Papa ueberleben koenne, hatte schon verschiedenemal
herzlich ueber Nellie lachen muessen, denn diese hatte eine so drollige Art,
sie auf diese oder jene Pensionaerin aufmerksam zu machen.
"Wie heisst das junge Maedchen, das bei Tische neben mir sitzt?" fragte
Ilse.
"Die mit die kurze Haar und der Klemmer auf die Nase? Das ist Orla
Sassuwitsch. Oh sie ist klug! Wir haben alle eine kleine wenig Furcht fuer
sie, weil sie immer die Wahrheit gerade in die Gesicht sagt."
"Das ist doch huebsch," meinte Ilse.
"O ja, wenn sie angenehm ist, aber zuweilen thut die Wahrheit weh, das
hoert keiner Mensch gern. Wenn ich zu sie sagen wuerde: {~SINGLE RIGHT-POINTING ANGLE QUOTATION MARK~}Orla, du hast
geraucht!{~SINGLE LEFT-POINTING ANGLE QUOTATION MARK~} das wuerde sie gar nicht gefallen, und es ist doch die Wahrheit.
Ich habe durch ihr Schluesselloch geluxt und habe grosse, rauchige Wolken
gesehen. -"
Sie waren jetzt bei einer Trauerweide angelangt, die ihre gruenen Zweige
bis auf den Boden gesenkt hatte. Nellie blieb stehen und bog einige Zweige
auseinander.
"Hier, Ilse, stell ich dich unsre Dichterin vor," sagte sie lachend.
Die Angeredete blickte hinein und sah ein junges Maedchen auf einer kleinen
Bank sitzen, die hochaufgeschossen, blond und blass, und deren Gesicht mit
zahllosen Sommersprossen bedeckt war. Dieselbe hatte auf dem Schosse ein
dickes, blaues Heft, in welchem sie eifrig schrieb.
Mit einer gewissen neugierigen Scheu blickte Ilse sie an, es war ihr so
neu, dass junge, siebzehnjaehrige Maedchen schon dichten koennen.
"Sie schreibt Romane," fuhr Nellie fort, "aber wie! Es kommen immer
zerbrochene Herzen drin vor. - Du wirst dir die Auge schaden, du hast ja
keine Licht genug zu deine Romane!"
Bis dahin hatte Flora Hopfstange sich nicht stoeren lassen in ihrer Arbeit,
jetzt aber wurde sie aergerlich.
"Ich bitte dich, lass mich in Ruhe, Nellie!" rief sie und schlug ihr
hellblaues Auge schwaermerisch auf. "Ich hatte eben einen so wundervollen
Gedanken, nun habe ich ihn verloren!"
"O, ich will ihn suchen!" neckte Nellie und bueckte sich auf die Erde
nieder, als ob sie ihn dort finden koenne.
[Illustration]
"Du bist unausstehlich!" entgegnete Flora aufgebracht. "Du freilich
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