on ihr angezogen fuehlte. Gern haette sie noch ein Weilchen dem komischen
Geplauder Nellies zugehoert, aber sie musste dem Fraeulein folgen, die sich
vorgenommen hatte, ihr einige Schulraeume zu zeigen. Zuerst oeffnete sie die
Thuer zu dem Musikzimmer, dann gingen sie in den Zeichensaal und zuletzt
wurde Ilse in den sogenannten grossen Saal gefuehrt. Die junge Lehrerin
erzaehlte ihr, dass in demselben alle Examen und zuweilen auch
Festlichkeiten stattfaenden. Ilse hoerte mit halbem Ohre, sie hatte naemlich
durch eine offenstehende Thuer einen Blick in eine leerstehende Klasse
gethan und Schulbaenke darin entdeckt. Dort eingeklemmt sollte sie von
jetzt an sitzen, nicht aufstehen duerfen, wenn es ihr beliebte - o, es war
entsetzlich! Ein Grauen ueberkam sie ploetzlich, ihr war, als wuerde ihr die
Brust zusammengeschnuert.
"In welche Klasse meinst du, dass du kommen wirst?" fragte das Fraeulein,
"deinem Alter nach muesstest du wohl in die erste versetzt werden. Hast du
deine Arbeitsbuecher mitgebracht? Wie steht es mit den Sprachen?
Franzoesisch und Englisch sind dir wohl gelaeufig, da du stets, wie dein
Papa schrieb, eine englische oder franzoesische Gouvernante hattest."
Von unten herauf toente eine Glocke. Dies war eine sehr gelegene
Unterbrechung fuer Ilse, der es unheimlich bei dem Examen wurde. Sie sagte,
dass sie nicht wisse, wie weit sie sei, franzoesisch glaube sie sprechen zu
koennen.
"Nun lass nur, mein Kind," meinte das Fraeulein, "heute wollen wir noch
nicht an das Lernen denken, bei deiner Pruefung morgen werden wir ja sehen,
welch kleine Gelehrte du bist. - Wir wollen jetzt hinunter in den
Speisesaal gehen, die Glocke hat uns zu Tisch gerufen."
Als sie in denselben eintraten, fanden sie die Vorsteherin mit dem
Oberamtmann bereits dort. Erstere machte ihn mit der herkoemmlichen
Einrichtung waehrend des Essens bekannt. Zum Beispiel, dass die zuletzt
angekommene Pensionaerin stets ihren Platz neben der Vorsteherin angewiesen
erhalte. Dann, dass zwei junge Maedchen woechentlich den Tisch zu besorgen
hatten. Dieselben mussten denselben decken und genau acht geben, dass nichts
fehlte und saemtliche Gegenstaende sauber und blank waren. Die Juengste der
Pensionaerinnen sprach stets das Tischgebet.
Dem Oberamtmann gefielen die Anordnungen vortrefflich und als er seinen
Blick ueber die junge Maedchenschar hingleiten liess, musste er seine Freude
aussprechen, wie gesund und froehlich fast alle aussahen.
Ilse
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