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Es trat ein augenblickliches, beinahe peinliches Stillschweigen ein. Ein
jeder der drei Anwesenden hatte etwas auf dem Herzen und scheute sich
doch, das erste Wort zu sprechen. Herr und Frau Macket sassen am Tische, er
rauchend, sie eifrig mit einer Handarbeit beschaeftigt. Prediger Wollert
ging im Zimmer auf und ab und sah recht ernst und nachdenklich aus.
Endlich blieb er vor dem Oberamtmann stehen.
"Es kann nichts helfen, lieber Freund," redete er denselben an, "das Wort
muss heraus. Es geht nicht mehr so weiter, wir koennen das unbaendige Kind
nicht zuegeln, es ist uns ueber den Kopf gewachsen."
Der Oberamtmann sah den Prediger verwundert an. "Wie meinen Sie das?"
fragte er, "ich verstehe Sie nicht."
"Meine Meinung ist, geradeheraus gesagt, die," fuhr der erstere fort, "das
Kind muss fort von hier, in eine Pension."
"Ilse? In eine Pension? Aber warum, sie hat doch nichts verbrochen!" rief
Herr Macket ganz erschreckt.
"Verbrochen!" wiederholte laechelnd der Prediger. "Nein, nein, das hat sie
nicht! Aber muss denn ein Kind erst etwas Boeses gethan haben, um in ein
Institut zu kommen? Es ist doch keine Strafanstalt. Hoeren Sie mich ruhig
an, lieber Freund," fuhr er besaenftigend fort und legte die Hand auf
Mackets Schulter, als er sah, dass dieser heftig auffahren wollte. "Sie
wissen, wie ich Ilse liebe, und wissen auch, dass ich nur das Beste fuer sie
im Auge habe; nun wohl, ich habe reiflich ueberlegt und bin zu dem
Resultate gekommen, dass Sie, Ihre Frau und ich nicht Macht genug besitzen,
sie zu erziehen. Sie trotzt uns allen dreien, was soll daraus werden? Sie
hat soeben ein glaenzendes Beispiel ihrer widerspenstigen Natur gegeben."
Der Oberamtmann trommelte auf dem Tische. "Das war eine Ungezogenheit, die
ich bestrafen werde," sagte er. "Etwas Schlimmes kann ich nicht darin
finden. Mein Gott, Ilse ist jung, halb noch ein Kind, und Jugend muss
austoben. Weshalb soll man einem uebermuetigen Maedchen so strenge Fesseln
anlegen und es Knall und Fall in eine Pension bringen? Was ist dabei, wenn
es einmal ueber den Strang schlaegt? Verstand kommt nicht vor den Jahren!
Was sagst du dazu, Anne," wandte er sich an seine Frau, "du denkst wie
ich, nicht wahr?"
"Ich dachte wie du," entgegnete Frau Anne, "vor einem Jahre, als ich
dieses Haus betrat. Heute urteile ich anders, heute muss ich dem Herrn
Prediger recht geben. Ilse ist schwer zu erziehen, trotz aller
Herzensguete, die sie besitzt. Ich weiss nichts
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