chuldet verunglueckt, ist es eine Schweinerei,
krank zu werden. Denn wenn einer vernuenftig lebt, wird er eben nicht
krank, ebenso wie keiner ins Zuchthaus kommt, der nicht was ausfrisst." So
erschien dem Pfarrer der Sanitaetsrat immer hoechst ueberfluessig, wie
andererseits dem Sanitaetsrat, der ein Freigeist ist, der Pfarrer
ueberfluessig erscheint. Persoenlich aber vertragen sie sich recht gut,
spielen auch manchmal Karten miteinander, was ihrer lebenslangen
gegenseitigen Abneigung keinen Eintrag tut. Der Dritte im Bunde ist der
Amtsrichter, den Pfarrer und Sanitaetsrat beide fuer ueberfluessig halten;
denn ausser dem Schneider Hampel wird in Waltersburg niemals jemand
eingesperrt, und bei Hampel kommen in mageren Jahren auch hoechstens drei
Wochen heraus. Der Amtsrichter und der Schneider Hampel stehen auf dem
"Gruessfuss", und der Sanitaetsrat behauptet, dass der Richter seinem einzigen
"Kunden" immer zu Neujahr gratuliere. Es ist also fuer einen, der keine
Sinekure sucht, nicht verlockend, Arzt oder Richter in Waltersburg zu
werden. Im Herzen waere es mir aber immer noch lieber, mich in Waltersburg
niederzulassen, als nach Neustadt zu gehen, dessen Wunderquellen ich nicht
traue, und mich also dort gewissermassen mitschuldig zu machen, den Leuten
das Geld aus der Tasche zu ziehen.
Heute war ich drueben in Neustadt. Waehrend der fuenf Jahre meiner
Abwesenheit ist der Ort um das Doppelte gewachsen. Er ist mit
amerikanischer Rapiditaet emporgeschossen. Ich sah die Marmortempel ueber
den "Sprudeln", die "Promenade" mit ihren unendlich gepflegten, unendlich
bunten und unendlich langweiligen Blumenanlagen, die Kapelle, die das
"Polnische Lied", den "Einzug der Gaeste in die Wartburg", das
"Fruehlingslied" von Mendelssohn, den neuesten Wiener Walzer und ein
unendlich albernes Potpourri spielte, das von allen Darbietungen dem
Publikum am besten zu gefallen schien, sah auch, wie der erste Geiger und
der Floetist an der Rampe des "Musikpavillons" wie ueberall mit den
vorbeiflanierenden Maegdelein liebaeugelten; ich sah auf den Estraden leerer
Restaurants Kellner lauern, die wie Braeutigame gekleidet waren oder wie
Leichenbitter, fuenfunddreissig Gerichte auf ihrer Speisekarte, von denen
sicherlich nicht eines halb so gut schmeckte wie das, was Mutters alte
Koechin bereitet; ich sah eine "Wandelhalle" mit Schaulaeden, in denen die
schoenen und ach so "preiswerten" Broschen prangen, die man den
Dienstmaedchen als "Mitbringe" s
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