n, wie
oft sie der Deckmantel elendester Gaunerei, schamlosester Ausnutzung sind.
Und damals war es das erstemal, dass ich meine Mutter nicht verstand. Sie
weigerte sich auf das entschiedenste, das Kind zu sich zu nehmen und zu
erziehen, und da ich immer wieder in sie drang und die Unschuld des Kindes
nicht verderben, seinen kleinen Leib nicht frieren und darben lassen
wollte in der Fremde, wurde die Mutter hart wie Eisen und sagte, ich
entehre sie mit meinen Vorstellungen und Bitten. Sie war zu tief gekraenkt
in ihrer Frauenseele, sie hasste das Weib, das dieses Unheil angerichtet,
zu bitter, litt zu furchtbar unter dem Verlust des Lieblingssohnes, als
dass ihre sonst so gute, freundliche Art auch diesmal den rechten Weg haette
finden koennen. Ja, sie sagte mir, dass sie die Bitte vom Vergeben aus ihrem
"Vaterunser" gestrichen habe. Der Bruder war gefluechtet, ich musste hinter
ihm herziehen, ein abenteuerliches Leben beginnen, um ihn zu suchen und
ihn schliesslich nach fuenf Jahren zu finden und zu einer ganz kurzen
Aussprache zu bewegen. Ich konnte mich damals um die kleine Luise nicht
weiter kuemmern, ich wusste nur, dass eine entfernte Verwandte das Maedchen zu
dem "kinderlieben" Ehepaar nach Berlin gebracht, die geforderten
fuenfzehntausend Mark "Erziehungsbeihilfe" als einmalige Abfindung bezahlt
und berichtet hatte, es scheine sich um ausserordentlich honette und
christliche Leute zu handeln.
Als ich Joachim in der Schiffskajuete gegenueber sass, indes draussen die
schwere See rollte, glaubte ich, der Augenblick sei so gewaltig, dass er an
die tiefsten Tiefen des Maennerherzens ruehren, dass er eine der
festverschlossenen Tueren oeffnen, und dass die Frage daraus hervortreten
werde: "Lebt das Kind noch?" Joachim stellte die Frage nicht, und als ich
nach Hause kam und nach etwa zehn Tagen es wagte, die Mutter zu fragen, ob
die kleine Luise am Leben sei, wandte sie sich ab und sagte hart: "Das
weiss ich nicht!"
Da fiel mir auf, dass die Mutter und Joachim sich sehr aehnlich seien. Ich
bin mehr nach dem Vater geschlagen. Der ist ein weicher Mann gewesen. Und
ich selbst bin wohl auch als Mann viel zu weich, stosse mir ueberall leicht
das Herz wund und werde wahrscheinlich einmal viel leichter unter die
Raeder kommen, als es Joachim passieren koennte.
Nun haben die Pflegeeltern der kleinen Luise an Mutter einen Brief
geschrieben. Sie hat ihn aber nicht geoeffnet, wie sie zehn oder mehr
andere Briefe, die von der
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