Ich fand ihn erst im fuenften Jahre meiner Wanderfahrt und waere bei
fluechtiger Begegnung wohl an dem veraenderten harten Mann mit dem fremden
Namen vorbeigegangen; aber ich traf ihn an Bord zwischen Rio und
Montevideo, da das Schiff tagelang nicht anhaelt, und wurde meiner Sache
gewiss, als der Fremdling sich ploetzlich scheu verbarg und weder an Bord
noch bei den Mahlzeiten mehr sichtbar wurde. Da suchte ich ihn in seiner
Kajuete auf. Er oeffnete auf mein Klopfen und bebte zusammen, als er mich
sah. Ich draengte ihn ohne weiteres in die Kajuete und schloss die Tuer.
"Ich will nur ein wenig mit dir reden, Joachim", sagte ich und wunderte
mich ueber meine ruhige Stimme; "du wirst es mir nicht abschlagen koennen,
da ich an die fuenf Jahre hinter dir her bin. Und dass ich auf dein Leben
und deine Entschluesse keinen Einfluss habe, weiss ich von vornherein. Also
versteck dich nicht!"
"Was willst du?" fragte er muehsam heraus.
"Ich will nicht viel. Ich will dich nur bitten, du moechtest von Zeit zu
Zeit, so alle Jahre einmal um Weihnachten, an die Mutter schreiben."
Da fiel er auf sein Bett und weinte rasend. Ich trat an das kleine runde
Kajuetenfenster, an das die Wellen klatschten, und schaute hinaus auf die
rollende See.
*
Vorgestern bin ich nun heimgekommen nach Waltersburg zu meinem und seinem
silbernen Muetterchen. Ich muss schon "silbernes Muetterchen" sagen; denn
nicht nur die Haare sind silbern, auch das Gesichtchen, auch die schmalen
Haende. Alles ist kostbar, edel und weiss an ihr.
Sie fragte mich nur das eine: "Ist er gesund?"
Ich sagte ihr, was ich wusste, auch dass er ein braver Mensch geblieben sei,
woran wir beide niemals gezweifelt hatten. Dann, dass er in einer
geachteten Stellung und wohl ein reicher Mann sei oder es doch werde.
Darauf hoerte sie kaum, sondern schlug die Haendchen zusammen und jammerte:
"Warum? Warum?"
Das war die schwere Frage, ueber deren richtige Beantwortung ich mir auf
der Heimreise den Kopf zerbrochen hatte. Ganze Abhandlungen hatte ich in
meinem Hirn ausgearbeitet, schlagende psychologische Begruendungen fuer eine
Mutter, die fragt: Warum gibt mein Sohn keine Nachricht? Warum kommt er
nicht zurueck? Warum laesst er mich in dieser furchtbaren Einsamkeit und
Qual?
Da sagte ich ihr nur die wichtigsten Saetze, die Joachim gesprochen:
"Ich hab wohl hundertmal geschrieben und tausendmal schreiben wollen. Aber
ich hab keine
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