Aufgaben, und meine Kraft darf nicht in
sehnsuechtigem Suchen, am Trotz des Bruders zerschellen. Also will ich
heute gar nichts von ihm aufschreiben, sondern einmal die naerrische
Geschichte von der Feindschaft der Waltersburger und der Neustaedter zu
erzaehlen beginnen.
Waltersburg ist eine in einem wunderschoenen Talkessel gelegene Stadt von
2967 Einwohnern. Solches besagte die letzte Zaehlung. Der Personenstand
wies im letzten Jahrhundert immer ziemlich dieselbe Hoehe auf; auf runde
3000 kam er nie hinauf. Da machte unser Buergermeister, Herr Wilhelm
Bunkert, eine bedeutsame Stiftung: der dreitausendste Einwohner, der
Waltersburg Anno 1904 geschenkt wuerde, solle eine goldene Uhr bekommen,
Herrenuhr oder Damenuhr, je nachdem es ein maennliches oder ein weibliches
Wesen betraefe, und diese Ehrengabe wolle er, der Buergermeister, aus
eigenen Mitteln bestreiten. Die Sache stand im Stadtblatt und wurde viel
bewundert. Im naechsten Jahre kamen viele Kinder zur Welt; die Zaehlung
wurde nicht bloss vom Magistrat, sondern auch von der Buergerschaft sehr
eifrig betrieben, und da die Einwohnerschaft auf 2998 stieg, entstand in
der zweiten Haelfte des Dezember zwischen der Frau Schneidermeister Lembke
und der Frau Schuhmachermeister Abelt eine bittere Feindschaft, da beide
hofften, noch vor Ablauf des Jahres eines Kindleins zu genesen. Am
30. Dezember gebar Frau Lembke eine Tochter. Ihr Mann, anstatt sich des
bluehenden Toechterchens zu freuen, ging in die Schenke und betrank sich vor
Aerger, wie er sein Lebtag sich nicht betrunken hatte. Dem Ehepaar Abelt
aber klopfte das Herz. Am Silvesternachmittag gebar die Frau einen Sohn,
und der entzueckte Vater stuerzte nach dem Rathause und schrie: "Der
dreitausendste Einwohner! Der dreitausendste Einwohner!" Im Vorzimmer des
Buergermeisters aber begegnete dem Siegestrunkenen eine schwarze Gestalt.
Es war die Frau des Webers Michalke, die soeben den Tod ihres Mannes
angemeldet hatte. Da waren es wieder nur 2999. Der arme Schuster torkelte
gegen die Wand, und dumpf hallten die Silvesterglocken in die Nacht ueber
diese so wenig vom Glueck beguenstigte Stadt.
Der Buergermeister hielt sein Angebot auch fuer das kommende Jahr aufrecht,
und einige werdende Muetter wiegten sich in goldenen Hoffnungen. Aber der
Tod hielt reichere Ernte als sonst, auch zog der Barbier mit seiner
siebenkoepfigen Familie nach Neustadt, und nun hielt der geizige erste
Ratsmann, Baeckermeister Schiebulke, es fue
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