hatte ein Senkblei, und wenn seine Fische nicht bissen, sagte
er: es laege am Wetter oder ich staende mit meinem infam weissen
Spitzenkragen zu nahe am Wasser und verscheuchte die Fische.
Unterdes fuhren meine Schiffe nach Jerusalem oder ins Riesengebirge, und
oben auf dem gruenen Balkon am Brunnenplatz sass unsere Mutter bei ihrer
Handarbeit und schaute manchmal zu uns herunter.
Wie kommt es doch, dass Menschen von einem solchen Brunnenrand fortziehen
koennen, dass er ihnen nicht lieber und groesser ist als alle Kuesten des
Ozeans?
Mein Bruder und ich sind fortgezogen, und die gute Frau auf dem gruenen
Balkon ist allein geblieben. Als Studenten kamen wir noch regelmaessig zu
den Ferien. Joachim aber war kaum mit seinen Studien fertig, als er seine
Ehe schloss mit jenem unselig schoenen Maedchen, dem die Schoenheit zum Fluche
gegeben war. Nach einem Jahre wurde das Kind geboren, und nach nur wieder
einem halben Jahre war ich dabei, als die Frau vor Gericht die Aussage
machte, sie habe sich selbst mit einem Revolver in die Brust geschossen,
weil ihr Mann sie nach einem furchtbaren Streit verlassen habe.
Nur meine Mutter und ich wussten, dass sie log. Der Fluechtige aber kam nicht
heim, auch dann nicht, als es uns endlich gelang, ihm mitzuteilen, dass er
ausser gerichtlicher Verfolgung sei.
Er floh nicht vor dem Gefaengnis; er floh vor dem Grauen, das ihm sein
junges Weib bereitet hatte und das auch die Rettung, die ihm ihre Aussage
brachte, nicht tilgen konnte.
Der Bruder verscholl in weiter Fremde, und die Mutter lehnte am
Balkonfenster und hoerte auf das Plaetschern des Johannisbrunnens. Sie
traeumte von fernen Ufern, an denen ihr Herzenssohn weilen wuerde, von
Gestaden, zu denen es keine andere Verbindung gab als die sehnsuechtig hin
und her gehenden Gedanken.
Als nun auch ich mein medizinisches Staatsexamen beendet hatte, sagte ich
zur Mutter, ich wolle bei ihr in der Heimat bleiben und ihr Trost sein.
Sie sah mich still an und schwieg, und es zuckte ein wenig um ihren Mund.
Da bat ich sie, zu reden und mir ihren tiefsten Wunsch zu sagen, und sie
sprach mit Worten, die sie sich aus dem Herzen riss:
"Geh fort ... in die Welt ... suche Joachim ... bringe ihn wieder!"
So bin ich fortgezogen, um meinen Bruder zu suchen. Und weil ich nicht
Geld genug hatte, jahrelang um die Erde zu reisen, wurde ich Schiffsarzt,
jetzt bei dieser, dann bei jener Gesellschaft, und kam fast in alle grossen
Haefen der Welt.
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