sehen, wie er im weissen Gewand heraufschwebte aus der Hoehlung dort:
und beide Arme breitete er aus: und ich rief ihn beim Namen und wir waren
vereint auf ewig. Und so wird's werden: denn der Herr erhoeret das Flehen
der Betruebten und wer ihm traut, wird nicht zu Schanden werden."
Und die Alte erhob sich, drueckte Miriams Hand und ging in ihr kleines
Haeuschen.
Allmaehlich war der Mond voll aufgegangen und erhellte zauberisch das enge
Gaertchen, in das des Turmes schwere Schatten fielen: und stark dufteten
die Rosen. Miriam stand auf und blickte an dem Kreuz empor. "Welch
maechtiger Glaube! welch lebendiger Trost! welch milde Lehre! Ist es so?
Ist der Mann, der dort am Kreuz in Todesweh das Haupt gebeugt, ist er der
Messias? Ist er aufgefahren gen Himmel und sorget fuer die Seinen, wie ein
Hirt, der seine Laemmer weidet? - - - Ich aber zaehle nicht zu seiner Herde!
An jenem Trost hat Miriam keinen Teil. Mein Trost ist meine Liebe mit all'
ihrem Weh: sie ist meine Seele selbst geworden. Und ich sollte einst dort
oben ueber den Sternen hinschweben, ohne diese Liebe? Dann waer' ich nicht
Miriam mehr! Oder soll ich sie mit hinauf tragen: und wieder zurueckstehen?
und wieder durch alle Ewigkeit die Roemerin an seiner Seite sehen? Sollen
sie dort wohnen und wandeln in der Fuelle des Glanzes und ich im trueben
Nebel einsam folgen und nur von ferne leuchten sehen den Saum seines
weissen Gewandes? Nein, o nein, viel besser, wie meine Blumen hier,
erbluehen am Sonnenblick der Liebe, duften und gluehen eine kurze Weile, bis
sie die Sonne versengt, die sie geweckt und geopfert hat: und verwehen in
ewige Ruhe, nachdem der weiche, suesse, unselige Drang nach dem Lichte
gebuesst ..." - -
"Gute Nacht, Miriam, lebewohl!" rief eine melodische Stimme.
Und fast erschrocken blickte sie auf: und sah noch des Goten weissen Mantel
vor der Treppe um die Ecke verschwinden. Uliaris ging nach der
entgegengesetzten Seite. Rasch sprang sie die Stufen hinan und sah dem
weissen Mantel, der silbern im Mondlicht glaenzte, nach, lang, lang, bis er
verschwand in fernen Schatten.
Viertes Kapitel.
Alle Tage zweimal traten so Uliaris und Totila zusammen, berichteten ihre
Erfolge, ihre Verluste und prueften ihre Aussichten zur Rettung der Stadt.
Aber am zehnten Tage der Belagerung etwa rasselte Uliaris vor Tagesanbruch
auf das Verdeck von Totilas "Admiralschiff", eines morschen
Muraenenfaengers, wo der Seegr
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