auer und ihrer Liebe zu leben.
Drittes Kapitel.
In diesen ersten Tagen der Belagerung empfand auch Miriam die hoechsten
Freuden und die hoechsten Schmerzen ihrer Liebe.
Haeufiger als je konnte sie sich in des Geliebten Anblick sonnen: denn die
Porta Capuana war ein wichtiger Punkt der Befestigung, den der Seegraf oft
besuchen musste. In der Turmstube des alten Isak hielt er taeglich mit Graf
Uliaris den traurigen Kriegsrat. Dann pflegte Miriam, wann sie die Maenner
begruesst und das schlichte Mahl von Fruechten und Wein auf den Tisch
gestellt, hinunterzuschluepfen in das enge Gaertlein, das dicht hinter der
Turmmauer lag. Der Raum war urspruenglich ein kleiner Hof im Tempel der
Minerva, der Mauerbeschuetzerin, gewesen, der man gern an den Hauptthoren
der Staedte einen Altar errichtete.
Seit Jahrhunderten war der Altar verschwunden: aber noch ragte hier der
alte maechtige Olivenstamm, der einst die der Goettin geweihte Statue
beschattet hatte: und ringsum dufteten die Blumen, die Miriams liebevolle
Hand hier gepflegt und oft fuer die Braut des Geliebten gebrochen hatte.
Gerade gegenueber dem riesigen Oelbaum, dessen knorrige Wurzeln ueber die
Erde hervorstarrten und eine dunkle Oeffnung in den Erdgeschossen des alten
Tempels zeigten, war von dem Christentum ein grosses, schwarzes Holzkreuz
angebracht ueber einem kleinen Betschemel, der aus einer Marmorstufe des
Minervatempels gebildet war: man liebte, die Staetten des alten
Gottesdienstes dem neuen zu unterwerfen und die alten Goetter, die jetzt zu
Daemonen geworden, durch die Sinnbilder des siegreichen Glaubens zu
verscheuchen.
Unter diesem Kreuz sass das schoene Judenmaedchen oft stundenlang mit der
alten Arria, der halbblinden Witwe des Unterpfoertners, die, nach dem
fruehen Tod von Isaks Weib, wie eine Mutter das Heranbluehen der kleinen
Miriam mit ihren Blumen in dem oeden Gestein der alten Mauern ueberwacht
hatte. Da hatte diese viele Jahre lang still lauschend zugehoert, wie die
fromme Alte in fleissigem Gebet zu dem Gott der Christen flehte: und
unwillkuerlich war so mancher Strahl der mildern, hellern Liebeslehre des
Nazareners in das Herz der Heranwachsenden gedrungen.
Jetzt da Alter und Erblindung die Witwe hilfsbeduerftig gemacht, vergalt
Miriam mit liebevoller Treue der Pflegerin ihrer Kindheit. Mit Ruehrung
nahm Arria diese Treue hin; ihr altes Herz umschloss mit Dank und Liebe und
Mitleid das herrliche Gescho
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