n ueber gelehrte Dinge respektvollst zu Rate zog.
Sein Kopfleiden fesselte ihn den ganzen Winter ueber ans Zimmer, und ich
musste fuer ihn aus der Lindauerschen Leihbibliothek haeufig Buecher holen.
Das kleine Fraeulein hinter dem Ladentische, ich glaube eine Irlaenderin,
besass meine ganze Bewunderung, wenn es in gebrochenem Deutsch ueber jedes
verlangte Buch Urteile abgab. Es schien wirklich alles gelesen zu haben.
Ich selber war lesewuetig und benutzte jede Gelegenheit, Romane zu
verschlingen.
Ich las auf der Strasse und hatte daheim oft unterm Schulbuche einen
Schmoeker liegen.
Ich habe Gutes und Schlechtes wahllos gelesen, neben Dickens, Gotthelf,
Keller auch ganz seichtes Zeug, und es ist mir wie den Konditorlehrlingen
ergangen, die sich am Ueberflusse das Naschen abgewoehnen.
Ich hoerte nach und nach auf, an suesslichen und gespreizten Romanen Gefallen
zu finden, und wurde mit der Zeit sogar recht empfindlich gegen gedruckte
Unwahrheit.
Aber ich moechte doch die Kur nicht allen empfehlen.
Im Mai oder zu Anfang Juni ging Onkel Wilhelm aufs Land, und dann begann
fuer mich eine Zeit genussreicher Ungebundenheit.
Der Herr Postsekretaer war kein strenger Stellvertreter; uebrigens starb er
bald so ruhig und gelassen, wie er gelebt hatte.
Tante Minna aber konnte kaum Aufsicht ueben, und so musste man schon das
meiste meinem eigenen Ernste ueberlassen.
Es ging schlecht und recht.
Der beste Antrieb war die Aussicht auf die selige Vakanz, die damals
merkwuerdigerweise, und weil Zopfigkeit immer hartnaeckig ist, nach den
heissesten Tagen am 8. August begann.
Es bedeutete offenbar eine ungeheure Umwaelzung, die noch jahrelang
vorbereitet und erwogen werden musste, sie schon am 15. Juli anfangen zu
lassen. Aber auch so, wie sie waren, brachten mir die Ferien eine Fuelle
ungetruebter Freuden. In Prien am Chiemsee hatte meine Mutter ein Gasthaus
gepachtet, die "Kampenwand", und ich durfte die Knabenjahre, wie ehedem
die Kinderzeit, auf dem Lande verbringen.
Der Chiemsee! Wenn ich die Augen schliesse, und sei es, wo immer, Wasser an
Schiffsplanken plaetschern hoere, erwacht in mir die Erinnerung an die
Jugendzeit, an Stunden, die ich im Kahn vertraeumte, den See rundum und den
Himmel ueber mir.
Ich sehe die stille Insel, von der die feierlichen Glockenklaenge
herueberklingen, ich hoere den Kahn auf feinem Kiese knirschen, springe
heraus und stehe wieder unter den alten Linden, von wo aus der Blick
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