e, dass man
dieser ganzen Unfehlbarkeitsangelegenheit zu viel Bedeutung beilegt. So
viel mir bekannt, hat ja der Papst in der katholischen Kirche immer fuer
unfehlbar gegolten, und schliesslich ist ja jede oberste Instanz in jeder
menschlichen Institution unfehlbar. Lasse man doch ruhig den Papst in
Glaubenssachen seine unfehlbaren Decrete sprechen, die staatliche
Nationalitaet wird darum ruhig ihren Weg weiter gehen und die Katholiken
auch nach dieser neuen Facon selig werden lassen."
"Sie legen der Sache umgekehrt zu _wenig_ Bedeutung bei," erwiderte der
Bankdirector. "Verzeihen Sie, das ist aber der gewoehnliche Fehler der
Herren am gruenen Tisch, dass sie die Folge der Dinge erst dann einsehen,
wenn sie wirklich eingetreten sind. Ich bin Rheinlaender," fuhr er fort,
"ich bin Katholik und die Unfehlbarkeit des Papstes als oberste
Autoritaet in Kirchenverwaltungen und Disciplinarsachen ist ja bei uns
nie bestritten, obwohl es mir nicht so recht in den Sinn kommen will,
dass eine fremde auslaendische Autoritaet ueber die Angelegenheiten unserer
deutschen Kirche zu bestimmen haben soll. Allein ganz etwas Anderes ist
es, wenn nunmehr die Unfehlbarkeit des Papstes dogmatisch festgestellt
wird, wenn Jeder verflucht und excommunicirt wird, der irgend einem
Decret nicht sofort Folge leistet. Damit erwaechst allerdings eine Macht,
mit der der Staat auf die Dauer nicht im Frieden leben kann. Eine solche
Unfehlbarkeit in Glaubenssachen koennten wir uns allenfalls gefallen
lassen, wenn der oberste Leiter der deutschen Kirche ein deutscher
Bischof waere. Aber der Papst ist nun einmal ein fremder, ein
italienischer Kirchenfuerst, der nicht nur Priester ist, sondern auch
seine Politik macht, und es koennten denn doch Verhaeltnisse eintreten, in
welchen seine unfehlbaren Decrete der weltlichen Macht und im Besonderen
Deutschland sehr wenig genehm sein moechten."
"Nun," sagte der Geheimrath mit einem selbstzufriedenem Laecheln, "ich
glaube, wir koennen es ruhig abwarten."
"Ich wollte," rief der Bankdirector lebhaft, "Sie warteten es nicht ab,
sondern traefen Vorkehrungen; wenn aus dieser Frage spaeter ein Conflict
entsteht, ohne dass man zur rechten Zeit Stellung genommen hat, so
duersten die Consequenzen sehr fatal werden."
"Ich glaube, der Bankdirector hat ganz Recht," sagte der Professor
Brandt, ein grosser Mann von steifer Haltung, dessen von dunklem, glatt
gescheiteltem Haar umgebenes Gesicht geistige Bewegung und scharfe
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