verborgen
bleiben. Dieser Grund wider einen zweiten Satz zwischen den Akten ist aus
dem Vorteile des Dichters hergenommen; und er wird durch einen andern,
der sich aus den Schranken der Musik ergibt, bestaerkt. Denn gesetzt, dass
die Leidenschaften, welche in zwei aufeinanderfolgenden Akten herrschen,
einander ganz entgegen waeren, so wuerden notwendig auch die beiden Saetze
von ebenso widriger Beschaffenheit sein muessen. Nun begreife ich sehr
wohl, wie uns der Dichter aus einer jeden Leidenschaft zu der ihr
entgegenstehenden, zu ihrem voelligen Widerspiele, ohne unangenehme
Gewaltsamkeit bringen kann; er tut das nach und nach, gemach und gemach;
er steiget die ganze Leiter von Sprosse zu Sprosse, entweder hinauf oder
hinab, ohne irgendwo den geringsten Sprung zu tun. Aber kann dieses auch
der Musikus? Es sei, dass er es in einem Stuecke, von der erforderlichen
Laenge, ebensowohl tun koenne; aber in zwei besondern, voneinander gaenzlich
abgesetzten Stuecken muss der Sprung, z.E. aus dem Ruhigen in das
Stuermische, aus dem Zaertlichen in das Grausame, notwendig sehr merklich
sein, und alle das Beleidigende haben, was in der Natur jeder ploetzliche
Uebergang aus einem Aeussersten in das andere, aus der Finsternis in das
Licht, aus der Kaelte in die Hitze zu haben pflegt. Itzt zerschmelzen wir
in Wehmut, und auf einmal sollen wir rasen. Wie? warum? wider wen? wider
eben den, fuer den unsere Seele ganz mitleidiges Gefuehl war? oder wider
einen andern? Alles das kann die Musik nicht bestimmen; sie laesst uns in
Ungewissheit und Verwirrung; wir empfinden, ohne eine richtige Folge
unserer Empfindungen wahrzunehmen; wir empfinden wie im Traume; und alle
diese unordentliche Empfindungen sind mehr abmattend als ergoetzend. Die
Poesie hingegen laesst uns den Faden unserer Empfindungen nie verlieren;
hier wissen wir nicht allein, was wir empfinden sollen, sondern auch,
warum wir es empfinden sollen; und nur dieses Warum macht die
ploetzlichsten Uebergaenge nicht allein ertraeglich, sondern auch angenehm.
In der Tat ist diese Motivierung der ploetzlichen Uebergaenge einer der
groessten Vorteile, den die Musik aus der Vereinigung mit der Poesie
ziehet; ja vielleicht der allergroesste. Denn es ist bei weitem nicht so
notwendig, die allgemeinen unbestimmten Empfindungen der Musik, z.E. der
Freude, durch Worte auf einen gewissen einzeln Gegenstand der Freude
einzuschraenken, weil auch jene dunkeln schwanken Empfindungen noch immer
sehr a
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