ennen
wuerde." Diese Bemerkung ist an und fuer sich sehr richtig; die Alten
hielten den Titel fuer ganz unerheblich; sie glaubten im geringsten nicht,
dass er den Inhalt angeben muesse; genug, wenn dadurch ein Stueck von dem
andern unterschieden ward, und hiezu ist der kleinste Umstand
hinlaenglich. Allein, gleichwohl glaube ich schwerlich, dass Sophokles das
Stueck, welches er "Die Trachinerinnen" ueberschrieb, wuerde haben
"Dejanira" nennen wollen. Er stand nicht an, ihm einen nichtsbedeutenden
Titel zu geben, aber ihm einen verfuehrerischen Titel zu geben, einen
Titel, der unsere Aufmerksamkeit auf einen falschen Punkt richtet, dessen
moechte er sich ohne Zweifel mehr bedacht haben. Die Besorgnis des
Corneille ging hiernaechst zu weit; wer die aegyptische Kleopatra kennet,
weiss auch, dass Syrien nicht Aegypten ist, weiss, dass mehr Koenige und
Koeniginnen einerlei Namen gefuehrt haben: wer aber jene nicht kennt, kann
sie auch mit dieser nicht verwechseln. Wenigstens haette Corneille in dem
Stueck selbst den Namen Kleopatra nicht so sorgfaeltig vermeiden sollen;
die Deutlichkeit hat in dem ersten Akte darunter gelitten; und der
deutsche Uebersetzer tat daher sehr wohl, dass er sich ueber diese kleine
Bedenklichkeit wegsetzte. Kein Skribent, am wenigsten ein Dichter, muss
seine Leser oder Zuhoerer so gar unwissend annehmen; er darf auch gar wohl
manchmal denken: was sie nicht wissen, das moegen sie fragen!
Dreissigstes Stueck
Den 11. August 1767
Kleopatra, in der Geschichte, ermordet ihren Gemahl, erschiesst den einen
von ihren Soehnen und will den andern mit Gift vergeben. Ohne Zweifel
folgte ein Verbrechen aus dem andern, und sie hatten alle im Grunde
nur eine und ebendieselbe Quelle. Wenigstens laesst es sich mit
Wahrscheinlichkeit annehmen, dass die einzige Eifersucht ein wuetendes
Eheweib zu einer ebenso wuetenden Mutter machte. Sich eine zweite Gemahlin
an die Seite gestellet zu sehen, mit dieser die Liebe ihres Gatten und
die Hoheit ihres Ranges zu teilen, brachte ein empfindliches und stolzes
Herz leicht zu dem Entschlusse, das gar nicht zu besitzen, was es nicht
allein besitzen konnte. Demetrius muss nicht leben, weil er fuer Kleopatra
nicht allein leben will. Der schuldige Gemahl faellt; aber in ihm faellt
auch ein Vater, der raechende Soehne hinterlaesst. An diese hatte die Mutter
in der Hitze ihrer Leidenschaft nicht gedacht, oder nur als an ihre Soehne
gedacht, von deren Ergebenheit sie versiche
|