losse
Erdichten, sondern das zweckmaessige Erdichten, einen schoepfrischen Geist
beweise.
Der Poet findet in der Geschichte eine Frau, die Mann und Soehne mordet;
eine solche Tat kann Schrecken und Mitleid erwecken, und er nimmt sich
vor, sie in einer Tragoedie zu behandeln. Aber die Geschichte sagt ihm
weiter nichts, als das blosse Faktum, und dieses ist ebenso graesslich als
ausserordentlich. Es gibt hoechstens drei Szenen, und da es von allen
naehern Umstaenden entbloesst ist, drei unwahrscheinliche Szenen.--Was tut
also der Poet?
So wie er diesen Namen mehr oder weniger verdient, wird ihm entweder die
Unwahrscheinlichkeit oder die magere Kuerze der groessere Mangel seines
Stueckes scheinen.
Ist er in dem ersten Falle, so wird er vor allen Dingen bedacht sein,
eine Reihe von Ursachen und Wirkungen zu erfinden, nach welcher jene
unwahrscheinliche Verbrechen nicht wohl anders, als geschehen muessen.
Unzufrieden, ihre Moeglichkeit bloss auf die historische Glaubwuerdigkeit zu
gruenden, wird er suchen, die Charaktere seiner Personen so anzulegen;
wird er suchen, die Vorfaelle, welche diese Charaktere in Handlung setzen,
so notwendig einen aus dem andern entspringen zu lassen; wird er suchen,
die Leidenschaften nach eines jeden Charakter so genau abzumessen; wird
er suchen, diese Leidenschaften durch so allmaehliche Stufen durchzufuehren:
dass wir ueberall nichts als den natuerlichsten, ordentlichsten Verlauf
wahrnehmen; dass wir bei jedem Schritte, den er seine Personen tun laesst,
bekennen muessen, wir wuerden ihn, in dem naemlichen Grade der Leidenschaft,
bei der naemlichen Lage der Sachen, selbst getan haben; dass uns nichts
dabei befremdet, als die unmerkliche Annaeherung eines Zieles, von dem
unsere Vorstellungen zurueckbeben, und an dem wir uns endlich, voll des
innigsten Mitleids gegen die, welche ein so fataler Strom dahinreisst, und
voll Schrecken ueber das Bewusstsein befinden, auch uns koenne ein aehnlicher
Strom dahinreissen, Dinge zu begehen, die wir bei kaltem Gebluete noch so
weit von uns entfernt zu sein glauben.--Und schlaegt der Dichter diesen
Weg ein, sagt ihm sein Genie, dass er darauf nicht schimpflich ermatten
werde: so ist mit eins auch jene magere Kuerze seiner Fabel verschwunden;
es bekuemmert ihn nun nicht mehr, wie er mit so wenigen Vorfaellen fuenf
Akte fuellen wolle; ihm ist nur bange, dass fuenf Akte alle den Stoff nicht
fassen werden, der sich unter seiner Bearbeitung aus sich selbst i
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