Es
gibt Menschen genug, die noch klaeglichere Widersprueche in sich vereinigen.
Aber diese koennen auch, eben darum, keine Gegenstaende der poetischen
Nachahmung sein. Sie sind unter ihr; denn ihnen fehlet das Unterrichtende;
es waere denn, dass man ihre Widersprueche selbst, das Laecherliche oder die
ungluecklichen Folgen derselben, zum Unterrichtenden machte, welches jedoch
Marmontel bei seinem Soliman zu tun offenbar weit entfernt gewesen. Einem
Charakter aber, dem das Unterrichtende fehlet, dem fehlet die Absicht.
--Mit Absicht handeln ist das, was den Menschen ueber geringere Geschoepfe
erhebt; mit Absicht dichten, mit Absicht nachahmen, ist das, was das Genie
von den kleinen Kuenstlern unterscheidet, die nur dichten, um zu dichten,
die nur nachahmen, um nachzuahmen, die sich mit dem geringen Vergnuegen
befriedigen, das mit dem Gebrauche ihrer Mittel verbunden ist, die diese
Mittel zu ihrer ganzen Absicht machen und verlangen, dass auch wir uns mit
dem ebenso geringen Vergnuegen befriedigen sollen, welches aus dem Anschauen
ihres kunstreichen, aber absichtlosen Gebrauches ihrer Mittel entspringet.
Es ist wahr, mit dergleichen leidigen Nachahmungen faengt das Genie an, zu
lernen; es sind seine Voruebungen; auch braucht es sie in groessern Werken zu
Fuellungen, zu Ruhepunkten unserer waermern Teilnehmung: allein mit der
Anlage und Ausbildung seiner Hauptcharaktere verbindet es weitere und
groessere Absichten; die Absicht, uns zu unterrichten, was wir zu tun oder
zu lassen haben; die Absicht, uns mit den eigentlichen Merkmalen des Guten
und Boesen, des Anstaendigen und Laecherlichen bekannt zu machen; die Absicht,
uns jenes in allen seinen Verbindungen und Folgen als schoen und als
gluecklich selbst im Ungluecke, dieses hingegen als haesslich und ungluecklich
selbst im Gluecke zu zeigen; die Absicht, bei Vorwuerfen, wo keine
unmittelbare Nacheiferung, keine unmittelbare Abschreckung fuer uns statthat,
wenigstens unsere Begehrungs-und Verabscheuungskraefte mit solchen
Gegenstaenden zu beschaeftigen, die es zu sein verdienen, und diese
Gegenstaende jederzeit in ihr wahres Licht zu stellen, damit uns kein
falscher Tag verfuehrt, was wir begehren sollten zu verabscheuen, und was
wir verabscheuen sollten zu begehren.
Was ist nun von diesem allen in dem Charakter des Solimans, in dem
Charakter der Roxelane? Wie ich schon gesagt habe: Nichts. Aber von
manchen ist gerade das Gegenteil darin; ein paar Leute, die wir verachten
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