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mehr und mehr vergroessert, wenn er einmal der verborgnen Organisation
desselben auf die Spur gekommen und sie zu entwickeln verstehet.
Hingegen dem Dichter, der diesen Namen weniger verdienet, der weiter
nichts als ein witziger Kopf, als ein guter Versifikateur ist, dem, sage
ich, wird die Unwahrscheinlichkeit seines Vorwurfs so wenig anstoessig
sein, dass er vielmehr eben hierin das Wunderbare desselben zu finden
vermeinet, welches er auf keine Weise vermindern duerfe, wenn er sich
nicht selbst des sichersten Mittels berauben wolle, Schrecken und Mitleid
zu erregen. Denn er weiss so wenig, worin eigentlich dieses Schrecken und
dieses Mitleid bestehet, dass er, um jenes hervorzubringen, nicht
sonderbare, unerwartete, unglaubliche, ungeheure Dinge genug haeufen zu
koennen glaubt, und um dieses zu erwecken, nur immer seine Zuflucht zu den
ausserordentlichsten, graesslichsten Ungluecksfaellen und Freveltaten nehmen
zu muessen vermeinet. Kaum hat er also in der Geschichte eine Kleopatra,
eine Moerderin ihres Gemahls und ihrer Soehne, aufgesagt, so sieht er, um
eine Tragoedie daraus zu machen, weiter nichts dabei zu tun, als die
Luecken zwischen beiden Verbrechen auszufuellen, und sie mit Dingen
auszufuellen, die wenigstens ebenso befremdend sind, als diese Verbrechen
selbst. Alles dieses, seine Erfindungen und die historischen Materialien,
knetet er denn in einen fein langen, fein schwer zu fassenden Roman
zusammen; und wenn er es so gut zusammengeknetet hat, als sich nur immer
Haecksel und Mehl zusammenkneten lassen: so bringt er seinen Teig auf das
Drahtgerippe von Akten und Szenen, laesst erzaehlen und erzaehlen, laesst rasen
und reimen,--und in vier, sechs Wochen, nachdem ihm das Reimen leichter
oder saurer ankoemmt, ist das Wunder fertig; es heisst ein Trauerspiel,
--wird gedruckt und aufgefuehrt,--gelesen und angesehen,--bewundert oder
ausgepfiffen,--beibehalten oder vergessen,--so wie es das liebe Glueck will.
Denn et habent sua fata libelli.
Darf ich es wagen, die Anwendung hiervon auf den grossen Corneille zu machen?
Oder brauche ich sie noch lange zu machen?--Nach dem geheimnisvollen
Schicksale, welches die Schriften so gut als die Menschen haben, ist
seine "Rodogune", nun laenger als hundert Jahr, als das groesste Meisterstueck
des groessten tragischen Dichters, von ganz Frankreich und gelegentlich mit
von ganz Europa bewundert worden. Kann eine hundertjaehrige Bewunderung
wohl ohne Grund sein? Wo haben d
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