eiber handeln: aber was schadet das? Vielmehr ist
dieses ein Vorzug des Stueckes mehr; denn das Gegenteil ist so gewoehnlich,
so abgedroschen!--
Doch im Ernste: ich weiss nicht, ob es viel Muehe kostet, dergleichen
Erdichtungen zu machen; ich habe es nie versucht, ich moechte es auch
schwerlich jemals versuchen. Aber das weiss ich, dass es einem sehr sauer
wird, dergleichen Erdichtungen zu verdauen.
Nicht zwar, weil es blosse Erdichtungen sind; weil nicht die mindeste Spur
in der Geschichte davon zu finden. Diese Bedenklichkeit haette sich
Corneille immer ersparen koennen. "Vielleicht", sagt er, "duerfte man
zweifeln, ob sich die Freiheit der Poesie so weit erstrecket, dass sie
unter bekannten Namen eine ganze Geschichte erdenken darf; so wie ich es
hier gemacht habe, wo nach der Erzaehlung im ersten Akte, welche die
Grundlage des Folgenden ist, bis zu den Wirkungen im fuenften, nicht das
geringste vorkoemmt, welches einigen historischen Grund haette. Doch",
faehrt er fort, "Mich duenkt, wenn wir nur das Resultat einer Geschichte
beibehalten, so sind alle vorlaeufige Umstaende, alle Einleitungen zu
diesem Resultate in unserer Gewalt. Wenigstens wuesste ich mich keiner
Regel dawider zu erinnern, und die Ausuebung der Alten ist voellig auf
meiner Seite. Denn man vergleiche nur einmal die 'Elektra' des Sophokles
mit der 'Elektra' des Euripides, und sehe, ob sie mehr miteinander gemein
haben, als das blosse Resultat, die letzten Wirkungen in den Begegnissen
ihrer Heldin, zu welchen jeder auf einem besondern Wege, durch ihm
eigentuemliche Mittel gelanget, so dass wenigstens eine davon notwendig
ganz und gar die Erfindung ihres Verfassers sein muss. Oder man werfe nur
die Augen auf die 'Iphigenia in Taurika', die uns Aristoteles zum Muster
einer vollkommenen Tragoedie gibt, und die doch sehr darnach aussieht, dass
sie weiter nichts als eine Erdichtung ist, indem sie sich bloss auf das
Vorgeben gruendet, dass Diana die Iphigenia in einer Wolke von dem Altare,
auf welchem sie geopfert werden sollte, entrueckt und ein Reh an ihrer
Stelle untergeschoben habe. Vornehmlich aber verdient die 'Helena' des
Euripides bemerkt zu werden, wo sowohl die Haupthandlung, als die
Episoden, sowohl der Knoten als die Aufloesung, gaenzlich erdichtet sind,
und aus der Historie nichts als die Namen haben."
Allerdings durfte Corneille mit den historischen Umstaenden nach Gutduenken
verfahren. Er durfte z.E. Rodogunen so jung annehmen, als er wol
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