woehnte europaeische Einbildungskraft damit verbindet. "Ich bin dieser
liebkosenden Maschinen satt; ihre weiche Gelehrigkeit hat nichts
Anzuegliches, nichts Schmeichelhaftes; ich will Schwierigkeiten zu
ueberwinden haben und, wenn ich sie ueberwunden habe, durch neue
Schwierigkeiten in Atem erhalten sein": so kann ein Koenig von Frankreich
denken, aber kein Sultan. Es ist wahr, wenn man einem Sultan diese
Denkungsart einmal gibt, so koemmt der Despot nicht mehr in Betrachtung;
er entaeussert sich seines Despotismus selbst, um einer freiern Liebe zu
geniessen; aber wird er deswegen auf einmal der zahme Affe sein, den eine
dreiste Gauklerin kann tanzen lassen, wie sie will? Marmontel sagt:
"Soliman war ein zu grosser Mann, als dass er die kleinen Angelegenheiten
seines Seraglio auf den Fuss wichtiger Staatsgeschaefte haette treiben
sollen." Sehr wohl; aber so haette er auch am Ende wichtige Staatsgeschaefte
nicht auf den Fuss der kleinen Angelegenheiten seines Seraglio treiben
muessen. Denn zu einem grossen Manne gehoert beides: Kleinigkeiten als
Kleinigkeiten, und wichtige Dinge als wichtige Dinge zu behandeln. Er
suchte, wie ihn Marmontel selbst sagen laesst, freie Herzen, die sich aus
blosser Liebe zu seiner Person die Sklaverei gefallen liessen; er haette
ein solches Herz an der Elmire gefunden; aber weiss er, was er will? Die
zaertliche Elmire wird von einer wolluestigen Delia verdraengt, bis ihm eine
Unbesonnene den Strick ueber die Hoerner wirft, der er sich selbst zum
Sklaven machen muss, ehe er die zweideutige Gunst geniesset, die bisher
immer der Tod seiner Begierden gewesen. Wird sie es nicht auch hier sein?
Ich muss lachen ueber den guten Sultan, und er verdiente doch mein
herzliches Mitleid. Wenn Elmire und Delia nach dem Genusse auf einmal
alles verlieren, was ihn vorher entzueckte: was wird denn Roxelane, nach
diesem kritischen Augenblicke, fuer ihn noch behalten? Wird er es, acht
Tage nach ihrer Kroenung, noch der Muehe wert halten, ihr dieses Opfer
gebracht zu haben? Ich fuerchte sehr, dass er schon den ersten Morgen,
sobald er sich den Schlaf aus den Augen gewischt, in seiner verehelichten
Sultane weiter nichts sieht, als ihre zuversichtliche Frechheit und ihre
aufgestuelpte Nase. Mich duenkt, ich hoere ihn ausrufen: "Beim Mahomet, wo
habe ich meine Augen gehabt!"
Ich leugne nicht, dass bei alle den Widerspruechen, die uns diesen Soliman
so armselig und veraechtlich machen, er nicht wirklich sein koennte.
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