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Sie belieben also, anstatt des Pater Tournemine, den Herrn von Voltaire
selbst zu substituieren. Denn auch er sucht uns von dem verlornen Stuecke
des Euripides die naemlichen irrigen Begriffe zu machen. Auch er sagt, dass
Aristoteles in seiner unsterblichen Dichtkunst nicht anstehe, zu behaupten,
dass die Erkennung der Merope und ihres Sohnes der interessanteste
Augenblick der ganzen griechischen Buehne sei. Auch er sagt, dass Aristoteles
diesem coup de theatre den Vorzug vor allen andern erteile. Und vom Plutarch
versichert er uns gar, dass er dieses Stueck des Euripides fuer das ruehrendste
von allen Stuecken desselben gehalten habe.[2] Dieses letztere ist nun
gaenzlich aus der Luft gegriffen. Denn Plutarch macht von dem Stuecke, aus
welchem er die Situation der Merope anfuehrt, nicht einmal den Titel namhaft;
er sagt weder, wie es heisst, noch wer der Verfasser desselben sei;
geschweige, dass er es fuer das ruehrendste von allen Stuecken des Euripides
erklaere.
Aristoteles soll nicht anstehen, zu behaupten, dass die Erkennung der
Merope und ihres Sohnes der interessanteste Augenblick der ganzen
griechischen Buehne sei! Welche Ausdruecke: nicht anstehen, zu behaupten!
Welche Hyperbel: der interessanteste Augenblick der ganzen griechischen
Buehne! Sollte man hieraus nicht schliessen: Aristoteles gehe mit Fleiss
alle interessante Augenblicke, welche ein Trauerspiel haben koenne, durch,
vergleiche einen mit dem andern, wiege die verschiedenen Beispiele, die
er von jedem insbesondere bei allen, oder wenigstens den vornehmsten
Dichtern gefunden, untereinander ab und tue endlich so dreist als sicher
den Ausspruch fuer diesen Augenblick bei dem Euripides. Gleichwohl ist es
nur eine einzelne Art von interessanten Augenblicken, wovon er ihn zum
Beispiele anfuehret; gleichwohl ist er nicht einmal das einzige Beispiel
von dieser Art. Denn Aristoteles fand aehnliche Beispiele in der "Iphigenia",
wo die Schwester den Bruder, und in der "Helle", wo der Sohn die Mutter
erkennet, eben da die erstern im Begriffe sind, sich gegen die andern zu
vergehen.
Das zweite Beispiel von der Iphigenia ist wirklich aus dem Euripides; und
wenn, wie Dacier vermutet, auch die "Helle" ein Werk dieses Dichters
gewesen: so waere es doch sonderbar, dass Aristoteles alle drei Beispiele
von einer solchen gluecklichen Erkennung gerade bei demjenigen Dichter
gefunden haette, der sich der ungluecklichen Peripetie am meisten bediente.
Warum zwar s
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